Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

60 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 20—21.) 
schaft. Das Kommunalsteuer- und das Jagdgesetz sind durch die 
Beschlüsse des Herrenhauses unerledigt geblieben. Ebenso die Reform 
der direkten Steuern: die Vorlage der Regierung bietet auch keinerlei 
Aussicht auf eine Verständigung. 
20. Mai. (Baden.) II. Kammer: nimmt einen Antrag an, 
für eine kleingewerbliche Euquete eine entsprechende Summe zu be- 
willigen, um zu ermitteln, wie der Handwerkerstand zu heben sei. 
Minister Turbau stimmt namens der Regierung zu, hebt aber die 
großen Schwierigkeiten der Sache hervor und betont, daß jeder Ge- 
danke einer Rückkehr zu den Zuständen vor der Gewerbefreiheit aus- 
geschlossen sei. 
20. Mai. (Elsaß-Lothringen.) Das Reichsgericht ent- 
scheidet, daß der Kaiser nicht als Landesfürst von Elsaß-Lothringen 
anzusehen sei: 
„Nicht die Staatsgewalt selbst oder die Souveränetät, fondern die 
 Ausübung derselben wurde dem Kaiser für Elsaß- Lothringen übertragen. 
Diese ihm vom Reich übertragene Gewalt steht dem Kaiser nicht wie die 
Staatsgewalt in Preußen in seiner Eigenschaft als Bundesfürst, d. h. als 
Monarch eines Bundesstaates, sondern als Organ des Reiches (Inhaber des 
Bundespräsidiums ) zu. Er ist deshalb auch hier nicht, wie in Preußen als 
„Landesherr“ im Sinne des Strafgesetzbuches anzusehen. Einen solchen per- 
sönlichen Landesherrn oder Sonverän hat das Reichsland, solange es nicht 
als Bundesstaat organisiert ist, überhaupt nicht, da es nicht von einem Bundes- 
fürsten regiert wird, sondern die Souveränetät dem Reiche zusteht.“ 
21. Mai. (Deutsches Reich.) Bundesrat: Preußen legt dem- 
selben einen von Finanzminister Scholz ausgearbeiteten Gesetzentwurf 
behufs Abänderung des Reichsstempelgesetzes vor. Derselbe stellt sich 
jedoch nicht lediglich als solches, sondern vielmehr als eine förmliche 
Geschäfts- und Umsatzsteuer und zwar mit sehr weitgehenden Kon- 
trollvorschriften dar. Ohne Zustimmung des Reichskanzlers kann 
die Vorlage unmöglich erfolgt sein, derselbe sucht jedoch die Ver- 
antwortlichkeit dafür seinerseits möglichst abzulehnen. Von seite des 
Handelsstandes stößt derselbe sofort auf heftigen und fast allgemeinen 
Widerstand. Dem Volkswirtschaftsrat wurde sie nicht vorher vor- 
gelegt; derselbe scheint von der Regierung thatsächlich aufgegeben 
zu sein. 
21. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: Unfallkommission: 
beginnt die 2. Lesung der Vorlage und diese führt zu dem uner- 
warteten Ergebnisse, daß die klerikal-konservative Majorität festge- 
schlossen gegenüber den sämtlichen Liberalen, Deutsch-Freisinnigen wie 
Nationalliberalen, gerade die entscheidenden Abänderungen der 1.
	        
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