92 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 15.—17.)
ob Chili-Salpeter zur Kriegskontrebande zu rechnen sei, zum Gegenstande
einer allgemeinen internationalen Erörterung zu machen. Ich teile jedoch
die in der Eingabe dargelegte Auffassung, daß die früher übliche Behandlung
des Salpeters als Kontrebande unter den heutigen Verhältnissen eine zweck-
lose Beschränkung des Handelsverkehrs darstellen würde, da derselbe zu
Kriegszwecken nicht unmittelbar zu benützen ist, sondern hierzu erst durch eine
umständliche Verarbeitung verwendbar gemacht werden kann, zu deren Vor-
nahme bei dem gegenwärtigen Stande der Kriegführung während der Dauer
der letzteren kaum noch ein Bedürfnis vorhanden sein wird. Ich werde
deshalb, wenn es zu einem Kriege kommen sollte, meine Bemühungen darauf
richten, dieser Auffassung zu Gunsten des deutschen Salpeterhandels bei den
streitenden Mächten Eingang zu verschaffen. Der Reichskanzler. (gez.)
v. Bismarck.“
15. Mai. (Spanischer Handelsvertrag.) Reichstag:
nimmt den Zusatzvertrag zum deutsch-spanischen Handelsvertrage mit
225 gegen 50 Stimmen an.
15. Mai. Schluß des Reichstages.
Der Reichstag ist seit dem 20. November 1884 versammelt gewesen
und hat 102 Plenarsitzungen abgehalten. Davon nahm die Beratung des
Etats 30 Sitzungen in Anspruch; die Durchberatung des Zolltarifs erfolgte
in 34 Sitzungen, und zwar entfallen auf die erste Lesung 3, auf die zweite
28, auf die dritte 3 Sitzungstage. Zur Erledigung sind außer dem Etat
und der Zolltarifnovelle gekommen: der Nachtragsetat für 1884/85, das
Budget für das laufende Rechnungsjahr, zwei Nachtragsetats dazu, das
Anleihegesetz, die Dampfersubventionsvorlage, der Gesetzentwurf über Aus-
dehnung der Unfall- und Krankenversicherung auf die Transportgewerbe, die
Vorlage über den Reichszuschuß zum Zollanschluß von Bremen, das Zollsperr-
gesetz, die Vorlage über Steuervergütung für Zucker und einige kleinere
Regierungsvorlagen, wie die Novelle zum Militärgesetz; hiezu treten noch
einige aus dem Hause hervorgegangene Entwürfe, namentlich derjenige über
die Börsensteuer und der Antrag Windthorst auf Aufhebung des Expatriirungs-
gesetzes. Dagegen kamen verschiedene wichtige Vorlagen nicht zur Durch-
beratung, darunter von den in der Thronrede zur Weiterführung der Sozial-
reform angekündigten drei Gegenständen die zwei Entwürfe über die Aus-
dehnung der Unfallversicherung auf die Arbeiter der Landwirtschaft und über
die Erweiterung der Sparkassen-Einrichtungen (Postsparkassen); das gleiche
Schicksal teilten mit ihnen: der aus dem Hause hervorgegangene Gesetz-
entwurf wegen Verbots der Sonntagsarbeit und mehrere der erst gegen
Schluß der Session eingegangenen Vorlagen, wie der deutsch-russische Aus-
lieferungsvertrag, die Unzulässigkeit der Beschlagnahme von Eisenbahn-Fahr-
betriebsmaterial und die Novelle zu den Justizgesetzen.
17. Mai. (Neu-Guinea-Kompagnie.) Der Kaiser erteilt
der Neu-Guinea-Kompagnie den folgenden Schutzbrief:
Wir Wilhelm von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preußen
u. s. w. thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir im August
1884 einer Gemeinschaft von Reichsangehörigen, welche inzwischen den Na-
men, „Neu-Guinea-Kompagnie“ angenommen hat, für ein von derselben ein-
geleitetes Kolonialunternehmen auf Inselgebieten im westlichen Teil der Süd-
see, welche nicht unter der Oberhoheit einer andern Macht stehen, Unsern
Schutz verheißen hatten; nachdem diese Kompagnie durch eine von ihr aus-
gerüstete Expedition in jenen Gebieten unter der Kontrolle Unseres dortigen