94 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 20. —21.)
Diesen Unsern kaiserlichen Schutzbrief gewähren Wir der Neu-Guinea-Kom-
pagnie unter der Bedingung, daß dieselbe bis spätestens ein Jahr vom heu-
tigen Tage ab ihre rechtlichen Verhältnisse nach Maßgabe der deutschen Ge-
setze ordnet, daß die Mitglieder ihres Vorstandes oder der sonst mit der
Leitung betrauten Personen Angehörige des deutschen Reichs sind und unter
dem Vorbehalt späterer Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der
von Unserer Regierung zu seiner Ausführung zu erlassenden Bestimmungen,
sowie der in Ausübung Unserer Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu
treffenden Anordnungen, zu deren Befolgung die Kompagnie bei Verlust des
Anspruchs auf Unsern Schutz verpflichtet ist. Zu Urkund dessen haben Wir
diesen Unsern Schutzbrief höchsteigenhändig vollzogen und mit Unserm kaiser-
lichen Insiegel versehen lassen.
Gegeben Berlin, den 17. Mai 1885.
(L. S.) Wilhelm. v. Bismarck.
Im Anschluß an die Bestimmungen des Schutzbriefes erläßt der kaiser-
liche Kommissar von Oertzen in der australischen Presse Bekanntmachungen,
wonach im deutschen Schutzgebiete, dessen Grenzen durch den kaiserlichen
Schutzbrief vom 17. Mai d. J. bestimmt worden sind, 1) neue Landerwerbungen
ohne Genehmigung der deutschen Behörden ungültig sind und nur ältere wohl-
erworbene Rechte geschützt werden sollen, 2) Waffen, Munition und Spreng-
stoffe, sowie Spirituosen, bis auf weiteres an Eingeborne nicht verabfolgt
und 3) Eingeborne zur Verwendung als Arbeiter aus dem deutschen Schutz-
gebiete nicht weggeführt werden dürfen, ausgenommen für deutsche Plantagen
aus denjenigen Teilen des „Bismarck-Archipels“, wo dies bisher geschehen
war, jedoch nur unter Kontrole deutscher Beamten.
20. Mai. (Ägypten.) Der deutsche Generalkonsul in Kairo
protestiert gegen das Dekret des Chedive vom 12. April. Der
Protest wird vom österreichischen, französischen und russischen General-
konsul unterstützt. (Vgl. Ägypten und Großbritannien.)
21. Mai. (Braunschweig.) Preußen stellt bei dem Bundes-
rat den Antrag, „die Überzeugung der verbündeten Regierungen
dahin auszusprechen, daß die Regierung des Herzogs von Cumber-
land in Braunschweig mit dem inneren Frieden und der Sicherheit
des Reiches nicht verträglich sei, und zu beschließen, daß die braun-
schweigische Landesregierung hiervon verständigt werde.“
Der Antrag lautet folgendermaßen: „Der Artikel 76 der Reichsver-
fassung enthält die Bestimmung, daß Streitigkeiten zwischen verschiedenen
Bundesregierungen, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur sind, auf
Anrufen des einen Teils von dem Bundesrat erledigt werden sollen. Nach
dem Geiste der Verfassung wird diese Vorschrift dahin zu verstehen sein, daß
nicht nur vorhandene Streitigkeiten der Kompetenz des Bundesrats unter-
stehen, sondern daß derselbe auch berufen ist, dem Entstehen solcher Streitig-
keiten vermittelnd vorzubeugen, wenn ein Antrag dahin gestellt wird. In
diesem Sinne erlaubt sich die königliche Regierung die Aufmerksamkeit des
Bundesrats darauf zu lenken, daß zwischen Preußen und Braunschweig Miß-
helligkeiten voraussichtlich entstehen würden, wenn Se. Königliche Hoheit der
Herzog von Cumberland Herzog von Braunschweig würde. Der durch die
Reichsverfassung gewährleistete preußische Besitz der Provinz Hannover ist
von dem Herrn Vater des Herzogs von Cumberland nach Maßgabe des bei-
liegenden Protestes angefochten worden. Der König Georg hat sich bis an