Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

96 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 21.) 
ßung der Organe des Herzogtums und des Reiches bezüglich der Thronfolge 
in Braunschweig vorzugreifen; die königl. Regierung sieht aber voraus, daß 
der Regierungsantritt des Herzogs von Cumberland in Braunschweig zu 
Streitigkeiten zwischen Preußen und Braunschweig führen würde, welche nicht 
privatrechtlicher Natur sind, also unter den Begriff des Artikels 76 der 
Reichsverfassung fallen. In dieser Voraussicht stellt Preußen den Antrag, 
die Überzeugung der verbündeten Regierungen dahin auszusprechen, daß: „die 
Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig mit dem inneren 
Frieden und der Sicherheit des Reiches nicht verträglich sei, und zu beschlie- 
ßen, daß die braunschweigische Landesregierung hiervon verständigt werde.“ 
v. Bismarck. 
Dem Antrage sind folgende Schriftstücke als Anlagen beigegeben: 
Der französische Originaltext der vom König Georg unterzeichneten und vom 
Grafen v. Platen-Hallermünde gegengezeichneten Kundgebung, welche, von 
Hietzing bei Wien am 23. September 1866 datiert, an alle Mächte gerichtet 
war und in welcher König Georg der preußischen Annexion Hannovers 
gegenüber erklärt, daß er niemals auf sein Souveränetätsrecht in seinen 
Staaten verzichten werde. Es folgt eine Sammlung von Auszügen aus 
Briefen des Königs Georg an seinen Agenten in Paris, deren mit der Unter- 
schrift oder der Paraphe des Königs versehenen Originale sich im Archiv des 
auswärtigen Amts befinden. Sie beschäftigen sich mit der Möglichkeit eines 
kriegerischen Zusammenstoßes zwischen Preußen und Frankreich und den Vor- 
bereitungsmaßregeln zu einem aktiven Auftreten der welfischen Propaganda 
im Bunde mit dem kriegsgerüsteten Frankreich zur Wiederherstellung des 
Königreichs Hannover. Unter anderm erklärt König Georg: „Alles kommt 
nun aber darauf an, daß meinerseits nichts verabsäumt wird, was die Pflicht 
für meine heilige Sache erheischt, und daß der Allmächtige um Jesu Christi 
Willen sie schließlich siegen läßt. Drum nur hinaufgeschaut und auf Gott 
vertraut!“ In einem Schreiben vom 21. November 1867 betont er die 
Notwendigkeit, „meinerseits um Gottes Willen mit allen Dingen auf das 
vollkommenste fertig und bereit zu sein, damit, wenn die Vorsehung für gut 
befindet, den casus belli herbeizuführen, ich augenblicklich bei der Hand bin, 
als Verbündeter dem Kaiser zur Seite zu stehen, um mit Hilfe seiner mäch- 
tigen Unterstützung mein gutes Recht und das von Deutschland unter des 
Herrn Beistand erkämpfen und ersiegen zu können“. Endlich begründet 
König Georg unterm 13. Juni 1869 seinem Agenten gegenüber die Ablehnung 
gewisser Anerbietungen, indem er schreibt: „da ich, wie Sie wissen, nur das 
eine Ziel mit der strengsten Konsequenz und nie ermattender Energie verfolge, 
unter Gottes gnädigem Beistande und Segen ein großes und mächtiges 
Welfenreich wieder herzustellen und meinen Thron wieder aufzurichten, sowie, 
von den teuern Meinigen umgeben, als König in alter Selbständigkeit und 
Unabhängigkeit zu meinem teuern und so beispiellos treuen Volke heimzu- 
kehren; überdies aber auch mit des Allmächtigen Hilfe meinen Thron und 
Reich mit eignen Waffen, als Verbündeter Frankreichs und Österreichs mir 
wieder zu erobern.“ Diesen Schriftstücken schließt sich zunächst die Kund- 
gebung des Herzogs von Cumberland (vom 11. Juli 1878) an, in welcher 
er dem „König von Preußen“ Mitteilung von dem Ableben seines Vaters, 
des Königs Georg, macht und gleichzeitig sein Prätendententum aufrichtet. 
Ihr folgt die an den Kaiser und König Wilhelm gerichtete Notifikation 
vom Ableben des Herzogs Wilhelm von Braunschweig und Regierungs- 
antritt des Herzogs von Cumberland. Den Schluß bildet das Patent, mittels 
dessen der Herzog von Cumberland die Regierung des Herzogtums Braun- 
schweig übernimmt. (Vgl. 18. Oktober 1884.) 
Der Antrag wird der Justizkommission überwiesen.
	        
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