Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 21.—25.) 97
21. Mai. Das Börsensteuergesetz wird im Bundesrat mit
allen gegen die Stimme Bremens angenommen. Hamburg und
andere Staaten betonen die Notwendigkeit genauer Ausführungs-
bestimmungen zur Beseitigung der vielen Unklarheiten des Gesetzes.
21. Mai. (Braunschweig.) Landtag: Staatsminister Graf
Goertz-Wrisberg verliest den Wortlaut des Antrags Preußens im
Bundesrate, betr. die Thronfolge-Frage. Die Verlesung wird mit
Beifall ausgenommen. Der Minister hält eine Äußerung der Ver-
sammlung über den Gegenstand für augenblicklich noch nicht ange-
zeigt. Die Mitteilung wird der staatsrechtlichen Kommission über-
wiesen.
Die Erklärung des Ministers Grafen Goertz-Wrisberg geht dahin:
Aus dem Antrage sei deutlich zu entnehmen, welche Auffassung die preu-
ßische Regierung von der das Land tief bewegenden Thronfolgefrage habe.
Es werde nun Aufgabe des Bundesrats sein, zu dem Antrage Stellung zu
nehmen, und man werde zu erwarten haben, welche Beschlüsse gefaßt, sowie
ob und in welcher Weise die Landesregierung in die Lage kommen werde,
dem Antrage der preußischen Regierung gegenüber auch ihrerseits bestimmte
Stellung zu nehmen und Schritte zu thun; darüber schon jetzt eine bestimmte
Ansicht auszusprechen, möchte zur Zeit noch nicht geboten erscheinen. Die
Landesregierung habe aber die bestimmte Absicht, keine entscheidenden Schritte
in der Angelegenheit weiter zu thun, ohne sich zuvor mit der Landesver-
sammlung ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Ob solche Schritte in aller-
nächster Zeit erforderlich wären, sei noch nicht zu übersehen, doch erscheine
die Notwendigkeit einer baldigen Wiedereinberufung des Landtages in dieser
Angelegenheit als möglich.
25. Mai. (Gregor-Jubiläum.) Der 800 jährige Todes-
tag Papst Gregor VII. wird an vielen Orten Deutschlands kirchlich
gefeiert.
Die Bemühungen einzelner ultramontaner Blätter, das Fest zu einer
großen kirchenpolitischen Demonstration zu gestalten, bleiben erfolglos. Sei-
tens des Freiherrn von Loß in Mainz war ein Aufruf in diesem Sinne er-
lassen. In demselben wird Gregor bezeichnet als jener große Papst des
11. Jahrhunderts, der, mit erleuchtetem Auge die der Kirche drohenden Ge-
fahren und ihre Feinde erkennend, dieselben trotz Verfolgung und Leiden aller
Art mit hohem Opfersinn und unerschütterlichem Mute bekämpfte.
Weiter heißt es: „Auch unsere Zeit ist groß an Gefahren, groß an
Kämpfen; mächtig stürmt die Revolution an gegen die göttliche Wahrheit
und die Kirche Gottes. Aber auch in unserer Zeit legte Gott das Steuer-
ruder der Kirche in die Hände großer Männer, groß an Tugenden und an
Weisheit, groß an Duldersinn und Mut und an unerschütterlichem Gottver-
trauen. Das katholische Volk hat sich um sie geschaart. Wir folgen dem
Worte des heiligen Vaters; wir harren mit ihm aus im Dulden und im
Kämpfen. Auch in unseren Tagen wird der Sieg unserer heiligen Sache
nicht fehlen, wie wir sie siegreich hervorgehen sahen aus den Kämpfen
Gregors VII. Die Erinnerung an diesen großen Streiter und Dulder wird
unseren Mut neu beleben, unsere Kraft stählen und unsere Ausdauer be-
festigen. Lasset uns daher seinen achthundertjährigen Gedenktag als einen
Europ. Geschichtskalender. XXVI. Bd. 7