102 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 2. 11.)
gehörten, zu verlangen; es fordere nur die Respektierung des deutschen Pro-
tektorats und wünsche den Abschluß eines Handelsvertrags, wolle ihm jedoch
denselben nicht aufzwingen. Das unehrerbietige Protesttelegramm des Sultans
an den Kaiser mache jedoch die Entsendung der Schiffe nötig, um Deutschland
schleunigst aus einer mit seiner Würde unvereinbaren Situation zu befreien.
2. Juni. Fürst Karl Anton von Hohenzollern +.
4. Juni. Der Reichskanzler begibt sich nach Kissingen.
7. Juni. (Württemberg: Volkspartei.) Das Landes-
komitee der Volkspartei faßt über das Verhältnis zur norddeutschen
demokratischen Partei folgenden Beschluß:
„Das große Landeskomitee der württembergischen Volkspartei stimmt
dem Beschluß des weiteren Ausschusses zu und lehnt alle weitergehenden An-
träge auf Verschmelzung der deutschen Volkspartei mit der neuen demokratischen
Parteibildung in Norddeutschland in der Erwägung ab: 1) daß die nord-
deutsche demokratische Partei nach der prinzipiellen und taktischen Seite hin
ebenso wie in der Organisation sich in den Anfängen einer Parteientwicklung
überhaupt befindet; 2) daß die deutsche Volkspartei im internen Streit der
norddeutschen Demokratie wider die Deutsch-Freisinnigen nach wie vor Neu-
tralität beobachtet; 3) daß das Programm und die Kundgebungen der neuen
Partei eine Anerkennung der föderativen Forderungen der Volkspartei ver-
missen lassen, ohne deren Festhaltung die süddeutsche Demokratie Gefahr läuft,
die Früchte 50jähriger Freiheitsarbeit ihrer Vorgänger aufzugeben."
9. Juni. (Preußen: Verwaltungsreform.) Über die
Fortführung der Verwaltungsreform in den westlichen Provinzen
wird offiziös folgendes mitgeteilt:
Nachdem in den Beratungen des Landtages über die Kreis- und Pro-
vinzialordnungen für Hannover und Hessen-Nassau der Grundsatz, daß das
Institut der Amtsvorsteher nicht zu den Essentialien der Verwaltungsreform
gehört, die Organisation der örtlichen Polizeiverwaltung vielmehr an die
historische Entwickelung und die bestehenden sozialen Verhältnisse anzuknüpfen
hat, durchgeführt, andererseits die Zusammensetzung der Provinzialvertretung
aus Wahlen der Kreistage und die Bildung der letztern aus den drei Wahl-
körpern der Städte, des Großgrundbesitzes und der Landgemeinden als Essen-
tialia anerkannt sind, dürften die Voraussetzungen für die erfolgreiche In-
angriffnahme der Ausdehnung der Reform auf Westfalen und Rheinland
gegeben sein. Dabei wird wegen der mannigfachen Verschiedenheiten der
kommunalen und wirtschaftlichen Verhältnisse jede dieser beiden Provinzen
getrennt behandelt; und zwar auch zeitlich. Denn die Kreis- und Provinzial-
ordnung für Westfalen soll in der nächsten Session, die für Rheinland in
der darauf folgenden Session vorgelegt werden, worauf dann als letzter Akt
in der nächsten Legislaturperiode Schleswig-Holstein sich anschließen würde.
Man darf hoffen, daß bis dahin die in der letztgedachten Provinz gegen die
Bestimmungen der ersten nicht zu Stande gekommenen Vorlage über die
Wahrnehmung der Ortspolizei und die Zusammensetzung des Provinzialland-
tages erhobenen Bedenken an der Hand der Erfahrungen sich werden be-
heben lassen.
11. Juni. (Doppelwährung.) Bundesrat: beschließt den
Eingaben, betr. die Einführung der Doppelwährung keine Folge zu
geben.