104 Dos deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 15.—17.)
Auf dem Innungstage sind 250 Delegierte anwesend, welche nach ihrer
Behauptung 150,000 Meister vertreten.
15. Juni. Prinz Friedrich Karl von Preußen +.
16. Juni. (Sonntagsarbeit.) Der Reichskanzler kündigt
in Beantwortung eines Telegrammes einer klerikalen Arbeiterver-
sammlung in Bochum an, daß er eine Enquete über die Sonntags-
arbeit ins Werk setzen werde. Das Schreiben lautet:
„Kissingen, den 16. Juni 1885. Ew. Wohlgeboren danke ich ver-
bindlich für Ihr Telegramm von vorgestern; die Herren Absender können
nicht lebhafter wie ich selbst wünschen, daß die Sonntagsruhe jedem Arbeiter
zu teil werde, der sie dem Lohnerwerb vorzieht. Bevor ich aber bei den
gesetzgebenden Körpern den Antrag stelle, das Arbeiten am Sonntag bei
Strafe zu verbieten und den Arbeiter auch gegen seinen Willen zum Verzicht
auf Sonntagslohn zu zwingen, glaube ich die Auffassungen der Beteiligten
und die mutmaßlichen Folgen eines derartigen Eingriffes genauer, als bisher
geschehen ist, ermitteln zu sollen. Zu diesem Behufe habe ich bei den ver-
bündeten Regierungen die erforderlichen Anträge gestellt und zunächst um
Ermittelung derjenigen Betriebe gebeten, in welchen gegenwärtig Sonntags-
arbeit stattfindet, und um Entgegennahme der Ansichten der beteiligten Ar-
beiter und Unternehmer. v. Bismarck."
16. Juni. (Spanischer Handelsvertrag.) Austausch der
Ratifikationen des Zusatzvertrages zum Handelsvertrag.
Der Vertrag tritt 8 Tage nach dem Austausch der Ratifikationen in
Kraft, so daß vom 25. Juni der Roggenzoll von 3 M allgemein zur
Hebung kommt.
17. Juni. (Elsaß-Lothringen.) Feldmarschall von Man-
teuffel, Statthalter von Elsaß-Lothringen, stirbt in Karlsbad.
Über die Behandlung der Geschäfte des Statthalters ergeht der
folgende kaiserliche Erlaß:
Auf Ihren Bericht vom 27. Juni ds. Irs. bestimme Ich hinsichtlich
der Behandlung der Geschäfte, welche dem verstorbenen Generalfeldmarschal
Freiherrn von Manteuffel als Meinem Statthalter in Elsaß-Lothringen
übertragen waren, bis zur Wiederbesetzung dieses Postens das folgende:
1) In den durch Meine Verordnung betreffend die Übertragung landes-
herrlicher Befugnisse auf den Statthalter in Elsaß-Lothringen vom 23. Juli
1879 bezeichneten Angelegenheiten ist, so oft eine landesherrliche Verordnung
oder Verfügung notwendig wird, an Mich zu berichten und Meine Ent-
schließung einzuholen. 2) Das gleiche hat zu geschehen bei Abordnung von
Kommissarien in den Bundesrat auf Grund des § 7 des Gesetzes betreffend
die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens. 3) In allen son-
stigen Befugnissen und Obliegenheiten wird der Statthalter durch den
Staatssekretär und im Falle der Verhinderung des Staatssekretärs durch den
zu dessen Vertretung berufenen Unterstaatssekretär in den bisher für den Fall
der Verhinderung des Statthalters gebräuchlichen Formen vertreten.
Bad Ems, den 29. Juni 1885. gez. Wilhelm.
In Vertretung des Statthalters: Der Staatssekretär,
gez. v. Hofmann.
An den Staatssekretär in Elsaß-Lothringen.