106. Das deutche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 21.)
in die See mündenden Rio del Rey bis zu seiner Quelle und von dort in
gerader Linie die Richtung nach der linken Uferseite des Alt-Kalabar- oder
Croß-Flusses nimmt, diesen Fluß überschreitet und ungefähr auf dem 9° 8´
östlicher Lange an einem Punkte endigt, der auf der englischen Admiralitäts-
karte als „Rapids“ bezeichnet ist. Deutschland verpflichtet sich, keine Gebiets-
erwerbungen zu machen, keine Schutzherrschaften anzunehmen und der Aus-
breitung brittischen Einflusses nicht entgegenzuwirken in demjenigen Teil der
Küste und des Inlandes von Guinea, welcher zwischen der, wie vorstehend
angegeben, an der Mündung des Rio del Rey beginnenden Linie und der
brittischen Kolonie Lagos liegt. Beide Mächte kommen überein, alle Schutz-
herrschaften, welche sie innerhalb der hienach dem anderen Teil zugestandenen
Grenzen schon errichtet haben, aufzugeben, wobei jedoch eine besondere Aus-
nahme für die Niederlassung der Missionäre in Viktoria an der Ambas-Bai
gemacht wird, welche eine brittische Besitzung bleiben soll. Deutschland er-
klärt sich bereit, die eingelegte Verwahrung gegen das Hissen der brittischen
Flagge in Santa-Lucia-Bai zurückzuziehen und an der Küste zwischen der
Kolonie Natal und der Delagoa-Bai keine Gebietserwerbungen zu machen
oder Schutzherrschaften zu übernehmen.
In einer ferneren Note vom 29. April erklärt Granville, daß Ihrer
Majestät Regierung keine politische Veranlassung hat, eine Einwendung gegen
die Abtretung der Ambas-Bai zu erheben, wenn die deutsche Regierung zu
einer Verständigung mit der englischen Missionsgesellschaft gelangen sollte,
und daß die Regierung Ihrer Majestät in diesem Falle bereitwillig ihre
Zustimmung zur Einverleibung von Ambas-Bai in diejenigen Gebiete geben
wird, welche nach dem vorliegenden Übereinkommen unter den deutschen Schutz
gestellt sind.
Münster bestätigt den Empfang dieser Note und das Einverständnis
beider Regierungen über den Inhalt derselben durch Schreiben vom 7. Mai.
Über die gegenseitigen Handelsbeziehungen gibt der englische Minister
in einer Note vom 15. Mai folgende Erklärungen ab: Die Regierung Ihrer
Majestät ist zur Zeit nicht im stande, eine bestimmte Erklärung über den
Höchstbetrag der zu erhebenden Zölle zu geben; sie ist aber bereit, die Ver-
sicherung zu geben, daß diese Zölle nur insoweit erhoben werden sollen, als
dies zur Deckung der durch die Übernahme der Schutzherrschaft entstehenden
Kosten für erforderlich erachtet wird, und daß die Zollsätze so niedrig als
möglich bemessen sein werden. Sie ist ferner bereit, die Verpflichtung zu
übernehmen, daß keine ungleiche Behandlung von Fremden oder von fremden
Gütern stattfinden soll. Sie wird endlich bereitwilligst die in Absatz 2 Ar-
tikel 5 der Generalakte der Berliner Konferenz vom 26. Februar d. J. ent-
haltenen Bestimmungen, welche den Schutz der Person und des Eigentums
von Ausländern gewährleisten, zur Anwendung bringen und sich verpflichten,
daß vorbehaltlich gewisser Verwaltungsvorschriften im Interesse des Handels
und der öffentlichen Ordnung keine ungleiche Behandlung von Fremden in
bezug auf Niederlassung oder Zugang zu den Handelsmärkten gestattet sein
soll, und sie wird dafür sorgen, daß etwaige Abänderungen in dem Zoll-
tarif mindestens vier Monate vor ihrer Einführung von den Ortsbehörden
bekannt gemacht werden.
Der deutsche Botschafter erwidert unter dem 2. Juni: Mit Rücksicht
auf die von der königlich großbritannischen Regierung erteilten Zusagen er-
klärt sich die Regierung Sr. Majestät des Kaisers bereit, in ihren Schutz-
gebieten am Golf von Guinea die nachstehenden Verpflichtungen zu über-
nehmen: Zölle sollen nur insoweit erhoben werden, als dies zur Deckung der
durch die Übernahme der Schutzherrschaft entstehenden Kosten für erforderlich
erachtet wird. Die Zollsätze sollen so niedrig als möglich bemessen werden,