Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 21. -—30.) 107 
ohne jedoch an einen bestimmten Höchstbetrag gebunden zu sein. Es soll 
keine ungleiche Behandlung von englischen Unterthanen oder von englischen 
Gütern stattfinden. Die in Absatz 2 Artikel 5 der General-Akte der Ber- 
liner Konferenz vom 26. Februar d. J. enthaltenen Bestimmungen, welche 
der Person und dem Eigentum von Ausländern Schutz gewährleisten, sollen 
in den deutschen Schutzgebieten für englische Unterthanen zur Anwendung 
kommen und vorbehaltlich gewisser Verwaltungsvorschriften im Interesse des 
Handels und der öffentlichen Ordnung keine ungleiche Behandlung von eng- 
lischen Unterthanen in bezug auf Niederlassung oder Zugang zu den Handels- 
märkten gestattet sein. Etwaige Abänderungen in dem Zolltarif sollen min- 
destens vier Monate vor ihrer Einführung von den Ortsbehörden bekannt 
gemacht werden. 
21. Juni. Der Kaiser begibt sich nach Ems. 
29. Juni—1. Juli. (Anarchisten-Prozeß.) Lieske wird 
als Mörder des Polizeirats Rumpff vom Schwurgericht in Frank- 
furt a. M. zum Tode verurteilt. 
Das Urteil wird, nachdem die vom Verteidiger des Angeklagten ein- 
gelegte Revision verworfen ist, vollstreckt. Die Verurteilung erfolgt nur auf 
Grund eines Indizienbeweises; der Angeklagte leugnet die That bis zum 
letzten Augenblick. Die in New-York erscheinende Most'sche „Freiheit“ be- 
stätigt jedoch in ihrer Nummer vom 16. Januar 1886, daß Lieske der Mör- 
er war. 
30. Juni. (Zanzibar.) Deutschland erklärt sich bereit, dem 
englisch-französischen Abkommen von 1862, betr. die Unabhängigkeit 
Zanzibars beizutreten und bringt die Abgrenzung des Gebiets des 
Sultans durch eine unparteiische Kommission in Anregung. 
30. Juni. (Braunschweig.) Der Landtag nimmt in ge- 
heimer Sitzung einstimmig die folgende Resolution an: 
„Die Landesversammlung hat die Mitteilungen der herzoglichen 
Landesregierung bezüglich des Antrages der königlich preußischen Regierung 
an den Bundesrat vom 18. Mai d. J., und der vorbereitenden Verhand- 
lungen im Justizausschusse des Bundesrats entgegengenommen. 
In der Erwägung, daß zwar auf Grund der Verfassung des Landes 
Se. königliche Hoheit der Herzog von Cumberland als nächster Agnat zur 
Thronfolge berufen ist, daß jedoch die Stellung des Herzogtums als eines 
Gliedes des deutschen Reiches es mit sich bringt, daß neben Anerkennung 
und Beobachtung der Landesverfassung die volle und rückhaltslose Anerkennung 
des gesamten Rechtszustandes im deutschen Reiche und in den zu ihm gehören- 
den Staaten, insbesondere bezüglich deren Gebietsverhältnisse die unumgäng- 
liche Voraussetzung für die Ausübung eines Thronfolgerechtes im Herzog- 
tume ist, — in fernerer Erwägung, daß durch die im preußischen Antrage 
enthaltenen thatsächlichen Mitteilungen eine jenen Voraussetzungen und 
damit den Grundlagen der Bundesverträge und der Reichsverfassung wider- 
streitende Stellung Sr. königlichen Hoheit des Herzogs von Cumberland 
nachgewiesen ist, erklärt die Landes-Versammlung, daß sie den preußischen 
Antrag und einen etwaigen von demselben in der Sache nicht wesentlich ab- 
weichenden Antrag des Justizausschusses des Bundesrats als dem öffentlichen 
Rechte und. den Interessen des Reiches und des Landes völlig entsprechend 
anerkennt und der Beschlußfassung des Bundesrates mit Vertrauen entgegensieht.
	        
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