136 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktbr. 10.)
einer befreundeten Macht zu stören oder auf anderm Wege als durch diplo-
matische Verhandlungen in Zweifel zu stellen, falls sie eigene Rechte an dem-
selben zu haben glaubte. Wenn die kaiserliche Regierung geglaubt hätte
oder zugeben wollte, daß ein spanischer Besitz an den Karolinen- und Pelew-
Inseln von alters her bestände, so würde sie sich dem Verdacht aussetzen,
1875 in Gemeinschaft mit England wider besseres Wissen oder aus Unwissen-
heit eine ungerechte Sache Spanien gegenüber vertreten und im Jahre 1885
die Rechte einer befreundeten Regierung in unverantwortlicher Weise ver-
gewaltigt zu haben. Beides liegt ihren Gewohnheiten und ihren Ansichten
fern. Nach den Vorgängen von 1875 mußte die kaiserliche Regierung er-
warten, daß ihr bei etwaiger Besitzergreifung der Karolinen durch die spa-
nische Regierung von dieser eine Benachrichtigung zugehen würde. Dabei
ist die kaiserliche Regierung von der Voraussetung ausgegangen, daß eine
solche Benachrichtigung, wie sie in der Berliner Konferenz für die afrikanischen
Küstengebiete festgesetzt worden ist, auch in andern zweifelhaften Fällen und
besonders nach der diplomatischen Korrespondenz von 1875 der völkerrecht-
lichen Courtoisie entsprochen haben würde, wie das auch hinsichtlich des in
der Note mehrfach erwähnten Sulu-Archipels durch Artikel 4 des Madrider
Protokolls vom 7. März 1885 vorgesehen ist. Unter den obwaltenden That-
sachen ist es für die kaiserliche Regierung unmöglich, anzuerkennen, daß die
Karolinen- und Pelew-Inseln von alters her und früher als infolge einer
diesjährigen Okkupation einen Teil des spanischen Gebiets gebildet oder unter
spanischer Hoheit gestanden haben können. Eine andere Frage ist es, ob der
„Velasco“, wenn er die in der Note des Herrn Ministers Elduayen erwähn-
ten Akte zwischen dem 21. und 25. August wirklich vorgenommen, durch die-
selben eine Besitzergreifung der Insel Yap bewirkt hat, welcher die Priorität
vor der des deutschen Schiffes gebührt. Die Annahme, daß die Expedition,
welche Manila am 10. August d. J. verließ, von der Möglichkeit einer Be-
gegnung mit einem deutschen Kriegsschiffe nicht unterrichtet gewesen sei, be-
ruht voraussichtlich auf einem Irrtum, da Ew. Exellenz nach ihrer eigenen
Meldung infolge meines Telegramms vom 4. August die königlich spanische
Regierung am 6. desselben Monats amtlich von den deutschen Absichten unter-
richtet haben und Madrid mit Manila durch Telegraphen verbunden ist. Die
königl. Regierung will jedoch kein Gewicht auf die Frage legen, ob die spa-
nische Expedition von den Philippinen infolge unserer Mitteilungen und zu
dem Zweck abgegangen ist, einer deutschen Besitzergreifung auf Yap oder an-
deren Inseln zuvorzukommen; wir werden lediglich nach Maßgabe der That-
sachen die Frage der Priorität der Besitzergreifung der Insel Yap einer un-
befangenen Prüfung unterziehen, sobald die amtlichen Berichte unserer be-
teiligten Seeoffiziere vorliegen. Wir hoffen, daß dann durch fortgesetzte direkte
und freundschaftliche Verhandlungen ein Einverständnis beider Regierungen
erzielt werden wird, und wir sind in dieser Hoffnung wesentlich bestärkt
worden, nachdem die spanische Regierung unserm Vorschlage, die Frage der
Entscheidung des Papstes zu unterbreiten, dahin entgegengekommen ist, daß
sie die Vermittelung Seiner Heiligkeit angenommen und der Papst bereit ist,
dieselbe eintreten zu lassen. Ew. Exzellenz wollen der königlich spanischen
Regierung anzeigen, daß wir infolgedessen dem Kardinal-Staatssekretär die
nötigen Informationen über die Sachlage mitteilen werden, und anheimstellen,
daß von spanischer Seite das gleiche geschehe. Wir werden dieser Infor-
mation Vergleichsvorschläge in dem zwischen uns bereits besprochenen
Sinne folgen lassen, sobald uns die schriftlichen Berichte über die Besitz-
ergreifung auf den Inseln vorliegen, welche ich von den dabei beteiligt ge-
wesenen deutschen Seeoffizieren erwarte. Ew. Exzellenz ersuche ich, den In-