Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 7.) 3
richten deshalb, bevor wir weitere Entschließungen fassen, an die dortige
Regierung die Frage, ob dieselbe ihrerseits die Ansicht der Khedivischen
Regierung teilt, und ob sie in dem Falle den von Deutschland und Rußland
erhobenen Anspruch für berechtigt hält. Euer etc. sind ermächtigt, diesen
Erlaß dem dortigen Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten vor-
zulesen und auf Verlangen Abschrift desselben zu hinterlassen.“ (St. A. 46.)
7. Januar. (Zollanschluß Bremens.) Dem Bundesrat
wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, in welchem der Reichsbeitrag zu
den Kosten des Zollanschlusses von Bremen auf 12 Millionen Mark
festgesetzt wird.
In der Begründung heißt es: „Mag es immerhin zweifelhaft sein,
ob gegenwärtig, nachdem der Zollanschluß Hamburgs für eine nahe Zeit
sicher gestellt ist, der Zollanschluß Bremens für die Entwickelung des natio-
nalen Wirtschaftslebens noch die gleiche Bedeutung hat, wie vordem, so
läßt sich doch nicht verkennen, daß es für die heimische Produktion und ins-
besondere für die Förderung der internationalen Verkehrsbeziehungen von
nicht unerheblicher Bedeutung ist, neben der hervorragendsten auch die zweit-
bedeutendste deutsche Handelsstadt an der Nordsee dem wirtschaftlichen Or-
ganismus des Reichs eingefügt zu sehen. Indem der Zugang zur See auch
auf dem zweiten Hauptwege von den gegenwärtig bestehenden Erschwernissen
befreit wird, darf zugleich erwartet werden, daß sich in Zukunft die Wechsel-
beziehungen zwischen den merkantilen Interessen Bremens und den indu-
striellen Interessen des Binnenlandes zum Nutzen beider Teile reicher und
vielseitiger gestalten werden. Dies erscheint um so wertvoller als erweislich
schon gegenwärtig eine Waarenmenge von 7—8 Millionen Doppelzentnern
zum Werte von 140 - 150 Millionen Mark aus dem Zollinlande über
Bremen zur Ausfuhr gelangt und der bremische Handelsverkehr überwiegend
nach transatlantischen Häfen gerichtet ist."
7. Januar. (Kolonialpolitik.) Die vom deutschen Kolonial-
verein begründete „Kolonialpolitische Korrespondenz“ veröffentlicht
den Bericht über eine im Jahre 1876 stattgehabte Unterredung
zwischen Fürst Bismarck und zwei Herren, welche ihm eine Denk-
schrift über die Anlage einer deutschen Kolonie in Süd-Afrika
unterbreiteten.
Bismarck soll in demselben geäußert haben: „Aber woher wollen
Sie die bedeutenden Mittel nehmen, welche Sie zu der Verwirklichung dieses
Projektes brauchen werden: Wenn Sie etwa auf mich rechnen, so muß ich
Ihnen sofort erklären, daß ich Ihnen nicht dienen kann. Wenn ich auch
persönlich einem solchen Projekt vielleicht zustimmen könnte, der gegenwärtige
Reichstag wird die Mittel dazu nicht bewilligen. Zu einem so bedeutenden
Projekt gehört eine tiefgehende Bewegung der Nation und davon ist bisher
noch keine Spur vorhanden.“ Auf den Einwand der Herren, daß sie nur
eine jährliche Zinsgarantie von 5 Millionen Mark verlangten, soll der Reichs-
kanzler erwidert haben: Wenn sich mit einer solchen Summe die Aus-
wanderung nach Nordamerika verhindern ließe, und eine deutsche Kolonie
gegründet werden könnte, so sei diese Summe gewiß nicht zu hoch, aber ein
Versprechen, auch nur eine Hoffnung könne er ihnen nicht geben. Die
politische Lage sei noch zu ungünstig. Er wolle nicht auf die äußeren Ver-
hältnisse, auf Frankreichs Eifersucht und auf die Empfindlichkeit Englands,
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