138 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktbr. 15.)
Behörde die Entscheidung über die Einleitung der Disziplinar-Untersuchung
wegen Irrlehre zustehen soll zu lebhaften Auseinandersetzungen. Während
der Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg Dr. Hegel diese
Funktion den Provinzial-Konsistorien übertragen will, verteidigt der Präsi-
dent des Oberkirchenrates Dr. Hermes die Vorlage, welche in diesen Fällen
die Einleitung der Untersuchung dem Oberkirchenrat vorbehält; der Paragraph
wird schließlich in der Fassung der Vorlage angenommen, nachdem Präsident
Hegel davon die Zustimmung des Oberkirchenrats zu dem ganzen Gesetz ab-
hängig gemacht hat.
Von den zahlreichen, seitens der Provinzialsynoden und einzelner Mit-
glieder gestellten Initiativ-Anträgen erregen besonders die Anträge des
Generalsynodalvorstandes bei Besetzung der kirchenregimentlichen Ämter im
evangelischen Oberkirchenrat und in den Konsistorien, sowie bei Besetzung
der evangelisch-theologischen Professuren eine Mitwirkung zu gewähren, In-
teresse. Trotzdem der Präsident des Oberkirchenrats sich entschieden gegen
diese Anträge ausspricht und dieselben als einen Eingriff in die landesherr-
lichen Rechte und einen Ansturm gegen das landesherrliche Kirchenregiment
bezeichnet, werden dieselben (am 16. Oktober) mit 110 gegen 60 Stimmen
angenommen. Über den Antrag der Pommerschen Provinzialsynode, sich da-
hin zu verwenden, „daß die evangelischen Theologen ihrer aktiven Militär-
Dienstpflicht in Zukunft in der Weise genügen können, daß sie nach Analogie
der Ärzte nur 6 Monate mit der Waffe dienen und die anderen sechs Mo-
nate im Lazarethdienst und in der Militär-Seelsorge verwendet werden“ geht
die Generalsynode (am 14. Oktober) ohne Diskussion zur Tagesordnung, weil,
wie der Referent ausführt, dieser Antrag noch nicht hinreichend vorbereitet
ist, um in seiner jetzigen Gestalt der Militärbehörde vorgelegt werden zu
können. Gegen den Beschluß der Synode, vom 20. Oktober, „daß durch eine
einheitliche Gesetzgebung, sowie durch Anordnung der Verwaltungsbehörden
die Sonntagsordnung mehr als bisher zur Durchführung zu bringen sei“,
wird von der „Nordd. Allg. Ztg.“ unter Darlegung der vom Reichskanzler
in der Reichstagssitzung vom 9. Mai hervorgehobenen Gesichtspunkte lebhaft
polemisiert.
Mitte Oktober. (Botschafter-Ernennungen.) Graf Münster,
der bisherige deutsche Botschafter in London, wird zum Botschafter
in Paris ernannt; an seine Stelle in London tritt der bisherige
Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Graf Hatzfeld.
Graf Münster überreicht sein Beglaubigungsschreiben in Paris am
5. November, Hatzfeldt trifft am 7. November in London ein und überreicht
am 25. November der Königin in Windsor sein Beglaubigungsschreiben.
Die (konservative) Morning-Post begleitet die Ernennung Hatzfelds mit
folgenden Bemerkungen: „Die Ankunft des Grafen Hatzfeldt wird als ein
neuer Beweis begrüßt werden, daß die Beziehungen zwischen Großbritannien
und Deutschland bestimmt sind, einen herzlichen und freundlichen Charakter
zu behalten. Wahrlich nichts als die Verirrungen liberaler Minister konnte
die Erscheinung einer Spannung zwischen den verwandten Völkern Deutsch-
lands und Großbritanniens hervorgebracht haben. Wir haben nie das
Recht anderer Nationen bestritten, in fernen Ländern einen Absatz für über-
wachsende Bevölkerung und Industrie zu suchen. Noch weniger könnten wir
dieses Recht einer Nation streitig machen, die, wo sie ihre Flagge aufpflanzt,
der Welt die Segnungen der Zivilisation sichern wird.“
15.—31. Oktober. Die Marschall-Inseln werden durch