Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

140 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktbr. 22.) 
von höchster Bedeutung für die Zukunft des Landes fassen zu müssen, wie 
solcher eigenartiger und wichtiger von der Vertretung des Landes kaum 
jemals gefaßt sein dürfte. Es läge daher an sich nahe, hier die Gründe 
eingehend darzulegen, welche den Regentschaftsrat bei seinem Vorschlage 
geleitet haben. Dessenungeachtet glaubt sich der Regentschaftsrat wegen der 
Eigenartigkeit des Falles einer solchen Begründung an dieser Stelle in der 
Zuversicht enthalten zu sollen, daß auch Sie die wichtigen Bedenken, welche 
einer derartigen Begründung an diesem Platze entgegenstehen, nicht verkennen 
werden. Der Regentschaftsrat beschränkt sich daher hier auf die Versicherung, 
daß er sich der hohen Bedeutung und großen Tragweite seines Vorschlages 
wohl bewußt gewesen ist und denselben erst nach reiflichster Erwägung aller 
in Betracht kommender Verhältnisse und Beziehungen gemacht hat. Hiernach 
legt der Regentschaftsrat die Wahl des Regenten mit vollem Vertrauen in 
Ihre Hände. 
Das Schreiben wird einer Kommission überwiesen. 
In der Sitzung vom 21. Oktober führt der Referent der Kommission 
aus, daß zwar das Hindernis, welches den Herzog von Cumberland von der 
Ausübung der Regierungs rechte ausschließe, ein dauerndes sei, daß aber die 
Wahl des Regenten auf Grund des Gesetzes vom 16. Februar 1879 in keiner 
Weise die Successionsrechte des Hauses Braunschweig-Lüneburg beeinträchtige; 
vielmehr werde der eigentlichen Entscheidung über die Zukunft des Landes 
durch die Wahl in keiner Weise vorgegriffen. Die Kommission empfiehlt der 
Versammlung sofort zur Wahl zu schreiten und die Wahl auf den Prinzen 
Albrecht von Preußen zu leiten. Eine Debatte findet nicht statt. Prinz 
Albrecht wird hierauf einstimmig und bei Anwesenheit sämtlicher Mitglieder 
der Landesversammlung zum Regenten gewählt. 
Der Landtag wählt ferner eine Kommission von 3 Mitgliedern, welche 
dem Prinzen Albrecht das Resultat der Wahl persönlich anzeigen soll. 
22. Oktober. (Karolinen-Inseln.) Vermittelungsvorschlag 
des Papstes. 
Derselbe lautet: Die Entdeckung eines Teils der Karolinen- und 
Palaos-Inseln durch Spanien im 16. Jahrhundert und eine Reihe von 
Handlungen, welche die spanische Regierung zu verschiedenen Zeiten auf 
diesen Inseln zum Wohl der Eingebornen vollzogen hat, haben nach der 
Überzeugung der spanischen Regierung und Nation ein Souveränetätsrecht 
geschaffen, das sich auf die Grundsätze des internationalen Rechtes stützt, die 
während dieser Zeit bei ähnlichen Verwickelungen angerufen und verfolgt 
worden sind. Wenn man die Gesamtheit der oben erwähnten Handlungen 
ins Auge faßt, deren Richtigkeit überdies durch verschiedene Schriftstücke in 
den Archiven der Propaganda bestätigt wird, so kann man den wohlthätigen 
Einfluß Spaniens auf die Bewohner dieser Inseln nicht verkennen. Außer- 
dem muß man beachten, daß keine andere Regierung einen ähnlichen Einfluß 
auf dieselben ausgeübt hat. Und das erklärt die ständige Überlieferung, der 
man Rechnung tragen muß, und die Überzeugung des spanischen Volkes in 
Bezug auf diese Souveränetät, eine Überlieferung und eine Überzeugung, 
welche vor zwei Monaten mit einem Eifer und einer Lebhaftigkeit zu Tage 
getreten sind, daß sie geeignet waren, für einen Angenblick den inneren 
Frieden und die freundschaftlichen Beziehungen der beiden Regierungen in 
Frage zu stellen. Andererseits haben sowohl Deutschland wie England im 
Jahre 1875 der spanischen Regierung ausdrücklich erklärt, daß sie die 
Souveränetät Spaniens über die besagten Inseln nicht. anerkennten. Die 
kaiserliche Regierung meint im Gegenteil, daß nur die thatsächliche Besitz- 
ergreifung eines Gebietes das Recht der Sonveränetät über dasselbe verleihe,
	        
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