4 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 7. - 8.)
die zu schonen er alle Ursache habe, eingehen; „aber meine Herren, die
innere Lage, der Kulturkampf ist ein zu großes Hindernis und ich werde
schwerlich jetzt Ihnen behilflich sein können.“ Schließlich habe der Reichs-
kanzler erklärt: Sie müßten ihm nun schon erlauben, ihre Ausarbeitungen,
Karten etc. zum weiteren Studium zurückzubehalten, nicht als „schätzenswertes
Material“, wie einer der Herren meinte, um im Aktenschrank zu verschwinden,
sondern um wirklich diese Frage mit Eifer zu studieren. Der gegenwärtige
Zeitpunkt sei der denkbar ungünstigste, erst müßte ein fruchtbarer Boden in
der Nation zu solchen Unternehmungen geschaffen werden, dann müsse sich
die äußere Situation verändern. Er rechne mit Gewißheit darauf, daß dies
geschehen werde und dann sei der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Sie
möchten sich einstweilen in Geduld fassen, 8—9 Jahre könnten immer noch
vergehen, bis diese Frage für ihn reif sei.
7. Januar. Kongo-Konferenz genehmigt in ihrer 7. Sitzung
die folgende später als Artikel 9 in die Kongo-Akte aufgenommene
Erklärung betreffend den Sklavenhandel (St. A. 45, 8601).
„Da nach den Grundsätzen des Völkerrechts, wie solche von den
Unterzeichnungsmächten anerkannt sind, der Sklavenhandel untersagt ist und
die Operationen, welche, sei es zu Lande oder zur See, dem Handel Sklaven
zuführen, gleichfalls als untersagt betrachtet werden müssen, so erklären die
Mächte, die in den Länderstrecken, welche das vereinbarungsmäßig festgestellte
Becken des Kongo bilden, Souveränetätsrechte oder Einfluß ausüben oder
ausüben werden, daß diese Länderstrecken weder als Markt noch als Durch-
gangsstraße für den Handel mit Sklaven, gleichviel welcher Rasse, benutzt
werden sollen. Jede dieser Mächte verpflichtet sich zur Anwendung aller ihr
zugänglichen Maßregeln, um diesem Handel ein Ende zu machen und die-
jenigen, welche ihm obliegen, zu bestrafen."
Die Beschlußfassung über die Erklärung betr. die Förmlichkeiten bei
neuen Besitzergreifungen an den afrikanischen Küsten wird vertagt.
8. Januar. (Unfall-Versicherung.) Der Reichstag nimmt
seine Arbeiten wieder auf. Demselben sind Gesetzentwürfe betreffend
die Ausdehnung der Unfall-Versicherung auf die im Transport-
Gewerbe beschäftigten Personen (mit Ausnahme der staatlichen Ver-
kehrs-Anstalten) und auf die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter
zugegangen.
In der Begründung wird die Zahl der unter das Unfallversicherungs-
gesetz vom 6. Juli 1884 fallenden Personen auf 2,776,891 in 156,529 Be-
trieben, die Zahl der unter den Gesetzentwurf wegen Ausdehnung der Unfall-
und Kranken-Versicherung auf das Transportgewerbe fallenden auf 800,000,
der zu versichernden land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter auf 6,978,579
Personen berechnet, sodaß nach Annahme der Gesetze im ganzen 10½ Mil-
lionen Arbeiter gegen Betriebs-Unfälle versichert sein würden.
Der die Transport-Gewerbe umfassende Entwurf führt gleichzeitig
die Kranken- und Unfall-Versicherung ein. Der auf die land- und forst-
wirtschaftlichen Arbeiter bezügliche Entwurf bezweckt nur die Einführung der
Unfall-Versicherung, weil in dem zum Teil noch auf Naturalwirtschaft
beruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb vielfach für erkrankte
Arbeiter unmittelbar vom Arbeitgeber gesorgt werde, und die Einführung
von Krankenkassen daher unthunlich sei. Die freie ärztliche Behandlung und
freie Arznei soll von der Gemeinde gewährt werden. Die definitive Unfall-