Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezbr. 31.) 163 
an die einzelnen Schulgemeinden verteilt wird; daß in den Volksschulen ein- 
heitliche Lehrbücher für das ganze Land eingeführt, deren Auswahl eine all- 
jährlich stattfindende Konferenz der Schul-Inspektoren vorzunehmen hat, und 
daß die Lehrmittel an die Schüler unentgeltlich verabfolgt werden. 
31. Dezember. (Karolinen-Inseln.) Der Papst verleiht 
dem Reichskanzler den Christusorden; dem päpstlichen Kardinal- 
Staatssekretär Jakobini wird der schwarze Adlerorden verliehen. 
Das päpstliche Begleitschreiben, in lateinischer Sprache verfaßt, lautet: 
Papst Leo XIII. entbietet dem ausgezeichneten Manne, dem Fürsten 
Otto Bismarck, dem großen Kanzler des deutschen Reiches seinen Gruß. 
Da über die Karolinen-Inseln auf der Grundlage der von Uns vor- 
geschlagenen Bedingungen eine Übereinkunft unter günstigen Umständen er- 
folgt ist, so trugen Wir dafür Sorge, daß Unsere Freude hierüber dem er- 
habenen Kaiser Deutschlands kundgegeben wurde. Dieselben Gesinnungen 
wollen wir aber auch Dir, hoher Fürst, aussprechen, da es auf Deine Meinung 
und Deinen Antrieb hin geschah, daß jene Streitfrage Uns zur Ausgleichung 
übertragen wurde. In der That darf man der Wahrheit gemäß bekennen, 
daß, wenn es möglich war, die verschiedenen Schwierigkeiten, die sich bei der 
Erledigung der Aufgabe darboten, zu lösen, dies zum größten Teile Deinem 
Eifer und Deiner Beharrlichkeit verdankt werden muß, da Du Dich Unseren 
Bemühungen von Anfang bis zu Ende willfährig erwiesen hast. Wir be- 
kunden Dir deshalb unsern Dank dafür, weil vorzüglich auf Deinen Rat hin 
Uns die sehr willkommene Gelegenheit geboten worden ist, der Eintracht halber 
ein sehr edles Amt zu verwalten: ein Amt, welches zwar unter den Thaten 
des apostolischen Stuhles keineswegs neu ist, das jedoch seit langer Zeit nicht 
mehr angerufen wurde, obgleich es fast keine Aufgabe giebt, die mit der 
natürlichen Beschaffenheit des Papsttums so vortrefflich im Einklange steht. 
Du dagegen bist Deiner Ansicht frei gefolgt, Du hast die Angelegenheit mehr 
der Wirklichkeit entsprechend, als nach Anderer Meinung und Sitte beurteilt 
und trugst keinerlei Bedenken, Unserer Billigkeit zu vertrauen. Du schienst 
hierbei die offene oder die stillschweigende Billigung der unbefangen Urteilen- 
den auf Deiner Seite zu haben, indem insbesondere die Katholiken auf dem 
ganzen Erdkreise erfreut waren, welche es mit Staunen erfüllt haben wird, 
daß ihrem Vater und Hirten eine derartige Ehre erwiesen wurde. Deine 
Staatsklugheit hat wohl sehr viel dazu beigetragen dem deutschen Reiche 
jene Größe zu verschaffen, welche heute die Welt zugesteht und aner- 
kennt; das aber was Du zur Zeit in das Auge fassest, ist selbstverständlich, 
daß das Reich von Tag zu Tag fester stehe und blühe, mit Macht zur Dauer 
und mit Hülfsmitteln ausgestattet. Und so ist es Deiner Weisheit auch nicht 
entgangen, welchen Nutzen für die Sicherheit des öffentlichen Lebens und der 
bürgerlichen Gesellschaft in der Macht zu finden ist, welche von Uns geleitet 
wird, namentlich wenn dieselbe nach Hinwegräumung jedes Hindernisses die 
Freiheit der Aktion besitzt. Es möge daher gestattet sein, in Gedanken der 
Zukunft vorzugreifen und aus dem, was geschehen ist, eine gute Vorbe- 
deutung für das Übrige zu entnehmen. Damit Du inzwischen ein Zeugnis, 
sowohl für die Thatsache, wie Unseres Willens besitzest, so proklamieren 
wir Dich durch dieses Schreiben als Ritter des Ordens Christi, dessen 
Insignien zugleich mit diesem Schreiben Dir zu überreichen wir befohlen 
haben. Schließlich flehen wir inständigst, daß Dir Alles glücklich ge- 
lingen möge. Gegeben zu Rom bei Sankt Peter am 31. Dezember 1885, 
im achten Jahre unseres Pontifikats (m. p.) Leo P. XIII. 
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