Bie Gesterreichisch-Augerische Monarchie. (März 11.) 179
einschränken, teils den Nutzen desselben erheblich reduzieren. Insbesondere
hinsichtlich des Getreides, namentlich des Weizens, sei zu befürchten, daß
Länder mit niedrigeren als den in HSsterreich-Ungarn möglichen Gestehungs-
kosten, z. B. Amerika, Indien, Rußland, Australien, den Import nach
Deutschland und Frankreich trotz der neuen Zölle durch Preisreduktionen
noch würden forcieren können, welche die österreichisch-ungarischen Produzen-
ten nicht gewähren könnten, ohne unter die Selbstkosten herabzugehen. So-
mit erscheine das Gefüge des internationalen Güteraustausches Österreich=
Ungarns in seinen Grundvesten erschüttert. Die durch die überseeische Kon-
kurrenz gezeitigten Ereignisse aufzuhalten, liege außer der Macht der k. k. Re-
gierung. Dieselbe könne nur im Vereine mit der ungarischen Regierung
jene wirtschaftlichen Maßregeln ergreifen, welche den Erfolg versprächen, die
drohende Schädigung der heimischen Produktion und die Störung der Han-
delsbilanz zunächst thunlichst zu mildern und allmälig zu beseitigen. Bei
der Abfassung der vorliegenden Entwürfe habe sich die Regierung zunächst von
der Erwägung leiten lassen, daß eine fühlbare Einschränkung des Abzuges der
Rohprodukte nach dem Auslande bald eine Entwertung derselben herbeiführen
müsse, welche die Land= und Forstwirtschaft, insbesondere aber den Getreide-
bau in der Existenz bedrohen könne. Bis zur immerhin langwierigen und
schwierigen Auffindung neuer Absatzgebiete sei die nächstliegende gebotene
Remedur im Interesse der Erhaltung der Rentabilität und Steuerkraft der
Landwirtschaft die, daß mindestens der inländische Markt ganz und voll der
eigenen Produktion in jenen Artikeln, die sie ausreichend zu liefern vermöge,
reserviert werde. Damit wäre aber angesichts des auch ohne Einfuhr vor-
handenen Überschusses in verschiedenen Zweigen der Rohproduktion noch
wenig geholfen. Man müsse vielmehr auch die Aufnahmsfähigkeit der Kon-
sumenten landwirtschaftlicher Produkte im Inland möglichst zu steigern suchen
und demnach das Augenmerk mehr als je auf die Hebung der induftriellen
und gewerblichen Produktion des Inlandes richten. Jeder Betrag, um den
es gelinge, die Industrialien-Einfuhr von jährlich zirka 246 Millionen Gul-
den zu restringieren und der heimischen Industrie ins Verdienen zu bringen,
werde verfügbar, um den in seinem Absatze nach außen bedrohten überschuß
land= und serstvirtschaftlichr Produkte aufzusaugen und zu bezahlen. Des-
wegen habe man eine. gleichzeitige Revision der Zollsätze für Industriepro-
dukte für ein unerläßliches Korrolar der Getreidezoll-Erhöhungen gehalten
und hiebei namentlich auf eine Verbesserung der Konkurrenzverhältnisse jener
Industriezweige Bedacht genommen, welche, wie z. B. die Baumwoll= und
Wollspinnerei, bei der Revision des Jahres 1882 nicht genügend geschützt
worden seien. Nicht um Vergeltung des Österreich-Ungarn durch die Zollpolitik
des Auslands zugefügten Schadens handle es sich, sondern um die Ergreifung
von Zwangsmaßregeln zur Aufrechthaltung des bedrohten Gleichgewichtes
der österreichisch= ungarischen Handelsbilanz. Deswegen, sowie wegen des
baldigen Ablaufes des österreichisch-ungarischen Zoll= und Handelsbündnisses,
könne die Revision des Zolltarifs auch keine allgemeine sein.
In dem Motivenberichte der ungarischen Regierung wird im
Gegensatze zum cisleithanischen Motivenberichte unumwunden erklärt, daß
die Erhöhung der Industrialzölle den Zweck verfolge, Frankreich und Deutsch-
land fühlbar zu machen, daß man deren das materielle Interesse Ungarns
schädigende handelspolitischen Bestrebungen nicht mit Schweigen und Gleich-
mut dulden wolle.
11. März. (OÖsterreich.) Das Reichsgesetzblatt publiziert
die neuen Bestimmungen über das „gewerbliche Hilfspersonal“