Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Die Oelerreithisq-Angarishe Menarthie. (April 10. -21.) 183 
beschließt die Erledigung der Zollnovelle bis zum Herbst zu ver- 
tagen. 
Diese Entscheidung wird allgemein dahin aufgefaßt, daß die Zoll— 
novelle in der gegenwärtigen Gestalt damit überhaupt fallen gelassen ist. In 
Osterreich soll neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten die parlamentarische Lage 
für das Aufgeben der Zollnovelle maßgebend gewesen sein: Graf Taaffe 
konnte nach den Erfahrungen, welche die Regierung bei der Nordbahn-Vor- 
lage gemacht hatte, nicht mit Sicherheit auf die Unterstützung der gesamten 
Rechten zählen. In Ungarn war die öffentliche Meinung im Anschluß an 
die Ausführungen Bismarcks in der seichstageSihunk vom 14. März schon 
seit längerer Zeit bedenklich geworden, ob die Erhöhung der Industriezölle 
als Retorsionsmaßregel gegen die landwirtschaftlichen Zölle Frankreichs und 
Deutschlands irgend welchen Wert habe; an Stelle der Zollnovelle wird von 
der ungarischen Presse lebhaft der Gedanke der Zollunion mit Deutschland 
befürwortet. 
10. April. (Ungarn.) Über das Verhältnis zu Deutsch- 
land erklärt der Ministerpräsident Tisza . 
im volkswirtschaftlichen Ausschuß auf Anfrage des Grafen Apponyi, 
betreffend die von Bismarck am 14. März angedeutete Herstellung eines engeren 
Verbandes zwischen Deutschland und sterreich auf volkswirtschaftlichem Ge- 
biete, daß keine formellen Verhandlungen über den Plan des Fürsten Bis- 
marck stattgefunden hätten, sondern nur vertrauliche Besprechungen; von seite 
der ungarischen Regierung sei gegen die Verwirklichung des Planes nicht die 
mindeste Schwierigkeit erhoben, und es stehe von ungarischer Seite der 
Wiederaufnahme der betreffenden Besprechungen kein Hindernis im Wege. 
11. April. (Krain.) Die deutsch-liberale Partei er- 
läßt eine Erklärung, in welcher die Gründe dargelegt werden, welche 
sie verhindern, an den Wahlen zu dem Laibacher Gemeinderat und 
an den bevorstehenden Reichsratswahlen teilzunehmen. 
Die Erklärung enthält unter anderem folgende Ausführungen: Nach 
wie vor sind die Wählerlisten unrichtig zusammengesetzt und schließen eine 
Wahl auf vollkommen legaler Basis aus; nach wie vor ist es einem bedeu- 
tenden Teile der Wählerschaft unmöglich gemacht, bei den Wahlen seiner 
Uberzeugung ohne persönliche Gefährdung Ausdruck zu geben; nach wie vor 
ist seitens der Regierung keine andere Haltung vorauszusehen, als dieselbe, 
die sie bei den Wahlen der Jahre 1881 und 1882 unerfreulichen Andenkens 
eingenommen hat — ja das System offizieller Kandidaturen, wie es bei den 
Kommunalwahlen des Vorjahres, wie es nicht minder bei den Landtags-Er- 
gänzungswahlen aufgetaucht ist, ließe in diesem Punkte noch weitere schlim- 
mere Erfahrungen erwarten; nach wie vor ist das Vorgehen der offiziellen 
und offiziösen Presse der deutsch-liberalen Partei gegenüber das gleich aggres- 
sive und unqualifizierbare; nach wie vor — und das ist bei der ganzen 
Beurteilung des öffentlichen Lebens die Hauptsache — ist die Leitung der 
obersten Verwaltung des Landes eine solche, daß die Deutschen und Liberalen 
derselben absolut kein Vertrauen entgegenzubringen vermögen, und die Er- 
eignisse des letzten Jahres haben zu allem vorausgegangenen wenn möglich 
noch deutlicher bewiesen, wessen sich unsere Partei auch für die Zukunft von 
entscheidender Seite zu versehen hat. 
21. April. (Osterreich.) Rechenschaftsbericht und Wahl- 
aufruf des Klubs der vereinigten Linken. Sämtliche Blätter, 
  
 
	        
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