Die Geserreichisch- Aungerische Monarchie. (April 22.) 189
Werk unserer politischen Richtung sind. Verfassungsmäßige Zustände, Teil-
nahme der Bevölkerung an den öffentlichen Angelegenheiten, Autonomie der
Gemeinden, Schwurgerichte, Reform des Volksschulwesens gehören unserer
politischen Arbeit an, denn die Deutschen in Osterreich haben ihre Stellung
immer im Sinne der Förderung der Kultur und des Fortschrittes aufgefaßt.
Und um diese Stellung und um diese Güter gilt es bei den nächsten
Wahlen zu kämpfen. Das wissen unsere Wähler. Wenn unser Können
unserm Wollen nicht entsprach, so lag das nicht an uns; aber wie immer
die Wähler über uns urteilen werden, so wird ihnen eines als das höchste
Gut klar vor die Seele treten: die Einigkeit aller Deutschen, die deutsch
fühlen und Osterreich als einen einheitlichen freien Staat erhalten wollen.
Diese Einigkeit war der leitende Gedanke unserer Partei, sie allein gibt uns
Kraft, sie allein schreckt unsere Gegner und sie allein auch ist die Bürgschaft
des Erfolges, den wir im Interesse der Deutschen und im Interesse OÖsterreichs
einmal noch zu erringen hoffen.
Wien, am 21. April 1885. «
Der Klub der vereinigten Linken.
Die Konfiskation wird offiziös damit motiviert, daß der Aufruf de-
monstrativ unmittelbar vor der Thronrede veröffentlicht sei; dem gegenüber
erklärt die deutsch-liberale Presse, die Veröffentlichung sei vor der Thronrede
erfolgt, damit nicht der Vorwurf erhoben werde, daß die Partei in unange-
messener Weise gegen die Thronrede polemisiere.
22. April. (Ungarn.) Unterhaus: nimmt nach mehrtägiger
Debatte mit 219 gegen 133 Stimmen die Oberhausreform in der
vom Oberhause beschlossenen Fassung an.
22. April. (Osterreich.) Der Reichsrat wird mit der folgen-
den, vom Kaiser verlesenen Thronrede geschlossen:
Geehrte Herren von beiden Häusern des Reichsrates! Am Schlusse
der verfassungsmäßigen Periode Ihrer legislatorischen Thätigkeit gereicht es
mir zur Befriedigung, Ihnen für die richtige Erkenntnis und Würdigung
der staatlichen Interessen, welche Sie bei Illen Arbeiten geleitet, und für
die Opferwilligkeit, die Sie in Ihren Beschlüssen an den Tag gelegt haben,
meinen Dank und meine Anerkennung auszusprechen. Eine Reihe von wich-
tigen Vorlagen, welche Ihnen im Laufe der Session von meiner Regierung
übergeben wurden, waren Gegenstand Ihrer Beschlußfassung. Die Wehr-
kraft des Reiches wurde durch Ihre patriotische Mitwirkung wesentlich
gefördert und befestigt, während zugleich die Mittel geschaffen wurden für
die Aufbesserung der Invalidengebühr, für die Versorgung der hilfsbedürf-
tigen Witwen und Waisen der vor dem Feinde Gefallenen und für die Un-
terstützung der Familien der im Mobilisierungsfall Einberufenen. Durch
die von Ihnen beschlossene Wahlreform wurde eine bedeutende Anzahl
fleißiger und strebsamer Staatsbürger eines der wichtigsten politischen Rechte
teilhaftig und außerdem die Ausübung des Wahlrechtes in der zahlreichen
MWählerklasse des großen Grundbesitzes in meinem Königreich Böhmen er-
leichtert. Die geistigen Interessen aller Völker des Reiches haben Sie durch
wohlerwogene, den Zwecken der Erziehung und Bildung der Jugend ent-
sprechende Beschlüsse, sowie durch die Errichtung neuer oder Erweiterung be-
stehender Unterrichtsanstalten reichlich bedacht und namentlich dem ge-
werblichen Unterricht behufs Hebung und Veredlung der heimischen Arbeit
Ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Auch die Lage des Seelsorge-
Klerus hat einen Gegenstand Ihrer regen Teilnahme gebildet und ist für
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