200 Die Gesterreichisc-Augerische Monarhir. (Juni 3.—11.)
ist ein ganzer, Kronawetter ein halber Regierungsmann. Es wird sich zei-
gen, ob Kreuzig nicht ein Viertel-Regierungsmann ist, trotzdem daß er un-
längst in einer Wählerversammlung erklärte: man könne sich im Parlament
nur einer einzigen Partei anschließen, von welcher alle freiheitlichen Impulse
ausgingen, nämlich der deutschen Partei, deren äußersten linken Flügel die
Demokratie zu bilden habe. Was endlich den vierten Gegner der Linken,
Dr. Pattai, anbetrifft, so ist derselbe unter der Fahne des Antisemitismus
aufgetreten und gewählt worden. Er gilt für den intimsten Parteigenossen
Schönerers."
3. Juni. (Böhmen.) Das Amtsblatt publiziert die Er-
nennung des Bischofs von Budweis, Grafen Franz Schönborn, zum
Fürst-Erzbischof von Prag.
Die „Neue Freie Presse“ bemerkt über diese Ernennung: Alle Mah-
nungen, welche die Notwendigkeit betonten, dieses hohe kirchliche Amt den
Händen einer neutralen oder zum mindesten einer gemäßigten Persönlichkeit
anzuvertrauen, haben sich sowohl in Wien wie in Rom als vergeblich er-
wiesen. Wenn irgend etwas dazu beitragen konnte, die tiefgehende Erregung
der Deutschen Böhmens zu steigern, so ist es die Berufung eines so pronon-
zierten czechischen Parteimannes auf den fürsterzbischöflichen Stuhl von Prag.
Von dem Tage an, an welchem Graf Schönborn in das fürsterzbischöfliche
Palais in Prag einzieht, wird in dasselbe der Geist des exklusiven Czechen-
tums eingezogen sein, und das Konsistorium des Prager Oberhirten wird sich
in ein Zentrum der national-czechischen Agitation verwandeln.
11. Juni. (Österreich: Gewerbeordnung.) Die Abän-
derungen der Gewerbeordnung, betr. die Arbeitszeit und die Sonn-
tagsruhe, treten in Kraft.
Das Gesetz vom 8. März 1885 bestimmt über die Sonntagsruhe:
„An Sonntagen hat alle gewerbliche Arbeit zu ruhen.
Ausgenommen hievon sind alle an den Gewerbelokalen und Werkvor-
richtungen vorzunehmenden Säuberungs= und Instandhaltungs-Arbeiten.
Der Handelsminister im Einvernehmen mit dem Minister des Innern
und dem Minister für Kultus und Unterricht wird jedoch ermächtigt, bei
einzelnen Kategorien von Gewerben, bei denen eine Unterbrechung des Be-
triebes unthunlich oder bei denen der ununterbrochene Betrieb im Hinblicke
auf die Bedürfnisse der Konsumenten oder des öffentlichen Verkehres erfor-
derlich ist, die gewerbliche Arbeit auch an Sonntagen zu gestatten.
An den Feiertagen ist den Hilfsarbeitern die nötige Zeit einzuräu-
men, um den ihrer Konfession entsprechenden Verpflichtungen zum Besuche
des Vormittags-Gottesdienstes nachzukommen.“
Mittelst Verordnung vom 27. Mai 1885 hat der Handelsminister
im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Kul=
tus und Unterricht die Dauer der Sonntagsruhe fixiert, sowie diejenigen
Kategorien von Gewerben bezeichnet, bei welchen die Sonntagsarbeit ganz
oder teilweise zugelassen wird. Die Verordnung bestimmt, daß die Sonn-
tagsruhe spätestens Sonntag um 6 Uhr früh, und zwar für die ganze Ar-
beiterschaft gleichzeitig zu beginnen und volle 24 Stunden von ihrem Beginne
an zu dauern hat.
Die Verordnung zählt 28 Betriebe auf, in welchen die Sonntags-
arbeit „wegen Unthunlichkeit einer Unterbrechung des Betriebes“ gestattet
wird, 12 Betriebe, in welchen „im Hinblick auf die Bedürfnisse der Konfu=
menten“ und 7 Betriebe, in welchen „im Hinblick auf die Bedürfnisse des