Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

218 Bie Gesterreichisch-Augerische Monarcie. (Septbr. 26.) 
wird Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Durch die in den letzten 
Sessionen beschlossenen Anderungen der Zoll= und Gewerbe Gesetzqebung. so- 
wie durch die notwendig gewordene Anbahnung der Besserung der Lage der 
arbeitenden Klassen, sind ernste Schritte zur Verwirklichung hervorragend 
wichtiger wirtschaftlicher und sozialer Aufgaben erfolgt. Sie werden sich 
mit weiteren, die allseitigen Interessen gerecht abwägenden Reformen auf 
diesem Gebiete zu beschäftigen haben. Ich erwarte, daß Sie diese Reformen, 
welche einem wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung entspringen und an 
Bedeutung die mannigfachen Parteikämpfe weit überragen, in gründlicher 
Weise prüfen und würdigen werden. Bei einer glücklichen Lösung dieser 
Aufgabe können Sie meines und der Bevölkerung Dankes sicher sein. Ich 
hoffe, daß zunächst die Vorlagen meiner Regierung betreffend die Versiche- 
rung zahlreicher arbeitender Klassen gegen Unfälle und Krankheiten, dann 
die Regelung der Verhältnisse der Bruderladen, Ihre Zustimmung finden 
werden. Der Ihnen vorzulegende Gesetzantrag über die Vererbung von land- 
wirtschaftlichen Besitzungen mittlerer Größe bezweckt die Erhaltung und 
Kräftigung eines für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung wichtigen 
Teiles der Bevölkerung. Uber die Verhältnisse solcher Landwirtschaften in 
den einzelnen Ländern wurden umfassende Erhebungen gepflogen und Sie 
werden durch die baldige Beschlußfassung über den betreffenden Gesetzentwurf 
die Landtage in die Lage setzen, diesem Zweige der Landeskultur die ver- 
diente Beachtung zu gewähren. In Folge der Uberschwemmungen in den 
letzten Jahren hat sich die Notwendigkeit der Inangriffnahme von dringenden 
Flußregulierungen in mehreren Ländern, insbesondere in meinem wiederholt 
von solchen Verheerungen schwer betroffenen Königreich Galizien ergeben. 
Die Regierung beschäftigt sich mit den erforderlichen Erhebungen und wird 
Ihnen nach Maßgabe ihrer Vollendung die geeigneten Vorlagen übermitteln. 
Meine Regierung wird unablässig bemüht sein, bei Inanspruchnahme der 
zur Befriedigung der mannigfaltigen öffentlichen Interessen erforderlichen 
Mittel mit steter und sorgfältiger Rücksicht auf die Lage der Staatsfinanzen 
vorzugehen. Ich gebe mich der Erwartung hin, daß auch Sie bei der Er- 
wägung der mannigfachen Interessen und Wünsche von der gleichen, unab- 
weislichen Bedachtnahme auf die verfügbaren Einnahmequellen des Staates 
geleitet, es für Ihre patriotische Pflicht erkennen werden, die Regierung in 
ihrem, auf die Regelung des Staatshaushaltes gerichteten Bestreben kräftigst 
zu unterstützen. Unsere Beziehungen zu den auswärtigen Mächten sind durch- 
aus befriedigende und es besteht volle Einmütigkeit in dem Bestreben nach 
Erhaltung des Friedens, dessen Bedürfnis wir Alle empfinden. Geehrte 
Herren von beiden Häusern des Reichsrates! Es wird die unwandelbare 
Aufgabe meiner Regierung bleiben, unter Wahrung der Einheit und Macht- 
stellung des Reiches, allen meinen Ländern und Völkern die gleiche Pflege 
ihrer geistigen und wirtschaftlichen Interessen zu Teil werden zu lassen. 
Die Unterstützung dieser Bestrebungen kann ich von Ihnen um so sicherer 
erhoffen, als durch die Teilnahme der Vertreter aller meiner Bölker an den 
verfassungsmäßigen Arbeiten eine einseitige Behandlung der Ihrer Erwägung 
anvertrauten Fragen ausgeschlossen erscheint. 
Mögen Sie dabei von jenem Geiste der Mäßigung geleitet sein, der 
die sicherste Bürgschaft einer ersprießlichen Thätigkeit bietet, von jenem Geiste 
einer genauen und strengen, aber sachlichen Prüfung, welcher allein geeignet 
ist, durch eine ruhige und stetige Fortbildung der Gesetzgebung Erfolge zu 
erzielen und den verfassungsmäßigen Einrichtungen bleibenden Wert zu sichern. 
Der Segen des Allmächtigen geleite Sie bei Ihren Arbeiten.
	        
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