Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

248 Großbritannien. (März 5.—6.) 
Rat habe die englische Regierung gebilligt und den General Lumeden ange- 
wiesen, in die Afghanen zu dringen, nicht über ihre jetzigen Stellungen hin- 
aus vorzudringen. 
5. März. (Santa-Lucia-Bai.) Lord Derby legt im Ober- 
hause die Ansprüche Englands auf die Santa-Lucia-Bai dar. 
Der Kolonialminister behauptet: Die Santa Lucia-Bai wurde der 
brittischen Krone schon vor etwas mehr als 40 Jahren von König Panda 
abgetreten; damals wurden infolge dieser Abtretung keine Schritte gethan 
und nichts angeordnet, bis Ende vorigen Jahres, wo es wünschenswert er- 
schien, unser Recht durch Entfaltung der brittischen Flagge kundzugeben oder 
am Leben zu halten. Es handelt sich also nicht um eine neue Annexion; 
wir wollen nur daran erinnern, daß wir Rechte auf jenem Küstenteile haben, 
die durch Abtretung erworben worden sind. Die Regierung hat jedoch eine 
Mitteilung von der deutschen Regierung erhalten, in welcher Zweifel über 
die Giltigkeit der Ansprüche Englands ausgesprochen werden, und zwar 
aus mehreren Gründen, wovon einer sich auf die lange Zeit beruft, während 
welcher diese Ansprüche geruht haben. Der Schriftenwechsel darüber dauert 
noch fort. 
6. März. (Bismarcks ägyptische Politik.) Oberhaus: 
Lord Granville erwidert auf die Rede des Fürsten Bismarck vom 
2. März: 
Er wolle die Bemerkungen desselben betreffs der Depeschenzahl und 
der Depeschen, welche überhaupt nicht hätten veröffentlicht werden sollen, 
nicht berühren, er hoffe jedoch dem Reichskanzler auf regelmäßigem Wege 
Erklärungen zu übermitteln, welche zeigen würden, daß dem Vorgehen der 
englischen Regierung eine sehr verschiedene Färbung gegeben werden könne. 
Hinsichtlich der Rede aber, die er (Lord Granville) im Oberhause unter dem 
Drucke eines heftigen parlamentarischen Angriffs gehalten und die zu seinem 
aufrichtigen Bedauern dem Fürsten Bismarck, wie er glaube, aus Mißver- 
ständnis ihrer Tragweite Verdruß bereitet hat, habe es sich im wesentlichen 
darum gehandelt, den Vorwurf des Herzogs v. Richmond zurückzuweisen, 
daß Englands Politik so schlecht sei, daß ein großer auswärtiger Staatsmann 
sie verurteilt habe. Statt von einem Rate des Fürsten Bismarck hätte er 
vielleicht von der Ansicht desselben sprechen sollen, und wenn er hinzugefügt 
habe, daß der Herzog v. Richmond nicht erwarten solle, daß England alle 
Aktionsfreiheit in fremden und kolonialen Fragen aufgeben werde, so sei 
dieß gegen den LPerag und keineswegs gegen Bismarck gerichtet gewesen. 
„Zu meinem großen Bedauern gibt jedoch Fürst Bismarck dieser Erklärung 
eine Deutung, die ich ihr positiv nicht zu geben beabsichtigte. Fürst Bis- 
marck beklagte sich auch, daß ich ihm inkorrekt Ratschläge oder vielmehr An- 
sichten zuschrieb, die ich, selbst wenn sie wahr wären, zu erwähnen nicht das 
Recht hatte, weil sie höchst vertrauliche waren. Was die Worte „Nehmet 
Agypten“ angeht, so hätte ich wahrscheinlich einen besseren Ausdruck ge- 
brauchen können, wenn ich meine Rede vorher schriftlich aufgesetzt hätte, ob- 
wohl jene Worte sicherlich entweder auf eine Annexion oder ein Protektorat 
oder selbst eine zukünftige Okkupation anwendbar waren. Was den Ver- 
trauensbruch betrifft, so würde ich aufs tiefste eine solche Handlung bedauern, 
die bei weitem peinlicher und nachteiliger für mich selbst, als für irgend 
einen anderen wäre, wenn angenommen würde, daß das von mir hinsichtlich 
eines Rates oder einer Ansicht Gesagte sich auf die höchst vertraulichen und 
freundschaftlichen Mitteilungen stützte, die im Jahre 1882 erfolgten.
	        
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