Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

254 Grsfbritannien. (April 4.—9.) 
Diese Annexion wird allgemein aufgefaßt als die Antwort Englands 
auf die in den russischen Zeitungen angeregte Idee im Fall des Krieges 
Kaperschiffe in den sibirischen Häfen auszurüsten um den ostasiatischen Han- 
del Englands zu vernichten. Der russische Gedanke, gegen England im Falle 
eines Krieges bewaffnete Kreuzer auslaufen zu lassen, kann nur von den 
ostasiatischen Hüfen Rußlands mit Erfolg inszeniert werden. Der wichtigste 
dieser russischen Häfen dort ist der am südlichsten gelegene von Wladiwostock. 
Von hier aus können die russischen Kreuzer am schnellsten die ostasiatische 
Zone des britischen Seehandels erreichen und die von Indien nach China 
und Japan laufenden englischen Schiffe aufbringen. Nun lagert aber vor 
der russischen Küste in gewaltigem Bogen das japanische Inselreich und 
schließt gerade den südlicheren Teil des dahinterliegenden Rußlands von dem 
Stillen Ozean ab. Das japanische Meer, welches zwischen der russischen 
Küste und dem japanischen Reiche sich ausdehnt und südlich von Korea be- 
grenzt wird, hat nun überhaupt nur einige ziemlich schmale Ausfallspforten, 
welche nach dem Stillen Ozean führen. Die südlichen führen teilweise durch 
japanische Gewässer, welch entweder neutral oder doch leicht zu schließen 
sind. Der allersüdlichste Ausgang zwischen Korea und Japan ist der wich- 
tigste, aber gerade hier liegt die Insel Hamilton wie ein Vorhängschloß 
davor. Von Hamilton aus können die englischen Schiffe nicht nur die 
Straßen zwischen Korea und Japan stets unter Augen haben; auch die üb- 
rigen südlichen Ausfallspforten können von dort aus gut bewacht werden. 
Die russische Presse legt der Sache außerordentliche Wichtigkeit bei. Das 
Journal „Moskowskija Wjedomosti“ schreibt: Schon das jüngste Auftreten 
Lord Dufferins sei ein casus belli gewesen, allein die Annexion Port Ha- 
miltons durch England übersteige alles bisher Dagewesene. Die Räumung 
Port Hamiltons müsse jedenfalls so bald als möglich verlangt werden. Wenn 
England Port Hamilton nicht wieder herausgebe, sei der Krieg unver- 
meidlich. 
4. April. (Afghanistan.) Granville lehnt die Fortsetzung 
der Verhandlungen auf Grund der russischen Vorschläge ab. (St. A. 
45, 8632.) 
7.—28. April. (Irland.) Reise des Prinzen und der Prin- 
zessin von Wales nach Irland. 
Trotz der Resolution der Parnelliten vom 13. März wird der Prinz 
auf das herzlichste empfangen; eine vom Lordmayor von Dublin bei der Ab- 
reise des Prinzen versuchte Demonstration zu Gunsten Parnells findet nur 
sehr laue Zustimmung. Auch in Cork, dem Wahlkreise Parnells, ist der 
Empfang ein enthusiastischer. Dagegen werden auf den Zwischenstationen 
verschiedentlich Demonstrationen der Homeruler veranstaltet; in Mallow 
hatten sich einige Tausend Nationalisten unter Führung der Parlamentsmit- 
glieder O'Brien, Deasy, Harrington und O'Connor versammelt, um den 
Prinzen auszuzischen. Musikbanden spielten nationale und revolutionäre 
Melodien. Eine starke Polizeiabteilung nebst Militär griff die Nationalisten 
an und verjagte dieselben, wobei im Handgemenge auch die genannten Par- 
lamentsmitglieder von den Polizisten mit Stöcken geprügelt wurden. 
9. April. Unterhaus: Gladstone teilt die Ereignisse bei 
Penschdeh mit. 
Gladstone sagt im wesentlichen: Was diesen Vorfall betrifft, so 
werden wir hinsichtlich desselben sorgfältig dessen eingedenk sein, was wir
	        
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