Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

272 Großbritannien. (Juli 6.) 
lich ohne Rücksicht darauf, welche Partei im Lande das Ubergewicht haben 
mag, hinfort niemals aufgegeben werden oder erschlaffen. 
Die nächste Frage betrifft das Problem der Zustände in Agypten. 
Es ist dies wahrscheinlich das schwierigste, verwickelteste Problem, das sich 
jemals einer Regierung dargeboten hat. Wenn ich vorgeben würde, eine 
Formel zu besitzen, welche gleich einem Zauberworte alle Schwierigkeiten löste, 
so würden Eure Lordschaften in meine Kenntnis der Sachlage Mißtrauen 
setzen. Die Schwierigkeiten dieser Frage sind enorm und mannichfach. Ehe 
die Regierung sich über eine endgiltige Politik schlüssig machen kann, muß 
sie sich mit allen jenen beratschlagen, die durch ihre Erfahrung am besten 
dazu geeignet sind, ihr Ratschläge zu erteilen. Wir werden unsere Schritte 
so abwägen, daß, wenn sie erst einmal ergriffen worden sind, es nicht not- 
wendig sein wird, sie rückgängig zu machen. Die erste Schwierigkeit ist, daß 
wir einen triumphierenden Feind an unserer Front in Khartum und Suakim 
haben, einen Feind, der nach seiner Idee in den jüngsten Kämpfen triumphiert, 
indem er uns an der Erreichung unseres Zweckes verhinderte und sah, wie 
wir uns aus den von uns eingenommenen Positionen zurückzogen. Es wäre 
nach der Zähigkeit, welche der Mahdi bereits bei Verfolgung seiner Ziele, 
gestärkt durch den Fanatismus der Stämme, an den Tag gelegt, welche mit 
glänzender Bravour seiner Sache gedient, vergeblich, wenn wir in Zukunft 
eine passive, indolente Haltung seitens des Mahdi erwarten wollten. Wir 
müssen seine Macht, bis wir sie beschworen haben, als eine von den Gefahren 
behandeln, welche Agypten bedrohen. Die militärische Frage ist demnach 
wichtiger als irgend eine andere, und die für den Augenblick dringendste 
Entscheidung, die wir zu treffen haben, ist die Verwendung der ägyptischen 
Streitkräfte und Hilfsquellen, welche zweifelsohne bis zu einem gewissen 
Maße von den unfrigen unterstützt sein würden, um diese Flut von fana- 
tischen und blutgierigen Barbaren in gehöriger Entfernung zu halten, damit 
ber zbilisierte Teil Agyptens nicht unter der Furcht vor Gefahren von außen 
er leide. 
Mylords! Damit ist die Schwierigkeit nicht erschöpft. Die militä- 
rische Schwierigkeit ist enorm, aber die mit dem Sudan verknüpfte politische 
Schwierigkeit ist vielleicht noch größer. Weite Gebiete, welche zu Agypten ge- 
hörten, sind thatsächlich der ägyptischen Kontrolle entzogen worden. Manche 
Heimsuchung ist über dieselben dahingegangen. Jede Spur von Fortschritt und 
Zivilisation ist verschwunden. Die Bevölkerung ist an vielen Orten zu einem 
elenden Uberbleibsel zusammengeschmolzen, und wir vermögen diese Provinzen 
noch nicht ihrem Schicksale zu überlassen. Hier entsteht die Frage, wie viel 
von dem Sudan unter der ägyptischen Herrschaft verbleiben sollte, beziehungs- 
weise unter militärischem Schutze Agyptens, so daß ein Angriff von den 
Wüsteneien her nicht zu fürchten wäre. Diese Fragen müssen gelöst werden, 
bevor wir sagen können, Agypten in einen Zustand der Sicherheit versetzt 
zu haben, oder ehe wir die Schuld getilgt haben, welche unsere frühere Ein— 
richtung und die Wirkung unserer Handlungen auf das Land uns aufge— 
bürdet haben. 
Dies sind die zwei Hauptprobleme, mit denen wir uns zu befassen 
haben, aber an Wichtigkeit übertrifft sie ein anderes, welches die Aufmerk— 
samkeit unserer Vorgänger stark beschäftigt hat, nämlich die Finanzlage. 
Lord Northbrook begab sich im vorigen Herbst nach Agypten, und er erstattete 
einen erschöpfenden Bericht und befürwortete gewisse Maßnahmen, welche die 
Linderung der finanziellen Schwierigkeiten, unter denen Agypten litt, zum 
Zweck hatten. Es ward hierauf eine Konvention geschlossen, welche die 
ägyptische Regierung von einigen ihrer schlimmsten Verlegenheiten befreit 
und sie in den Stand gesetzt haben würde, einige der Entschädigungsforder-
	        
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