290 Frankreich. (März 24.—30.)
Das Gesetz lautet:
. „Art. 1. Die Mitglieder der Kammer werden mittelst Listenskruti-
nium gewählt.
Art. 2. Jedes Departement wählt die Zahl der Deputierten, welche
ihm durch die an das vorliegende Gesetz angefügte Tabelle zuerteilt wurde,
und zwar einen Deputierten für je 70000 Einwohner. Jeder Bruchteil
unter 70000 wird für voll gerechnet.
Art. 3. Das Departement bildet einen einzigen Wahlkreis.
Art. 4. Niemand ist im ersten Wahlgange gewählt, wenn er nicht
die absolute Majorität der abgegebenen Stimmen vereinigt und wenn die
Zahl der abgegebenen Stimmen nicht dem Viertel der eingeschriebenen Wähler
gleichkommt.
Art. 5. Während sechs Monaten vor Ablauf der Vollmachten der
jetzigen Kammer wird keine Ersatzwahl vorgenommen werden.
Art. 6. Außer in dem von der Verfassung vorhergesehenen und ge-
regelten Falle einer Aufläsung finden die allgemeinen Wahlen innerhalb der
60 Tage statt, welche dem Ablauf der Vollmachten der Deputiertenkammer
vorangehen."“
Infolge dieses Gesetzes wird die Zahl der Deputierten, welche in der
gegenwärtigen Kammer 557 betrug, auf 596 erhöht. Paris erhält statt 32
nunmehr 40 Deputierte.
24.—27. März. (Tonkin.) Niederlagen der Franzosen bei
Langson.
Die Franzosen werden am 24. bei Dongdang geschlagen, ziehen sich
auf Langson zurück, müssen jedoch am 27. auch diesen Platz räumen.
i der Kammerdebatte vom 28. ist nur der Rückzug auf Langson,
nicht die NRäumung dieser Position selbst bekannt.
28. März. (Tonkin.) Kammer: Interpellation über den
Konflikt mit China. Die Kammer nimmt die von Ferry verlangte
einfache Tagesordnung mit 273 gegen 227 Stimmen an.
Der Abg. Granet wirft dem Ministerpräsidenten vor, daß die Opera-
tionen in Tonkin in einen förmlichen Krieg gegen China ausgeartet seien,
ohne daß die verfassungsmäßig notwendige Zustimmung der Kammer einge-
holt sei. Die Regierung verheimliche ungünstige Nachrichten und fabriziere
Depeschen. Ferry erwiedert, daß sich in der Lage des Konflikts nichts ge-
ändert habe, es handle sich noch wie vor um die von der Kammer bereits
gebilligte Durchführung des Vertrages vom 11. Mai 1884. In Langson
seien Verstärkungen eingetroffen, welche genügten, um die Position zu halten.
29. März. (Tonkin.) In Paris trifft die Nachricht von
der Räumung Langsons ein.
Diese Nachricht ruft in Paris grenzenlose Bestürzung hervor; die
dreiprozentige Rente fällt um 3,35 Fr. Das Ministerium beschließt einen
Kredit von 200 Millionen von der Kammer zu verlangen. Admiral Courbet
ern angewiesen, Formosa zu räumen und seine Truppen nach Tonkin zu
werfen.
30. März. Die Suezkanal-Kommission, deren Zusam-
mentritt in der ägyptischen Finanzkonvention (siehe Großbritannien,
17. März) vorgesehen ist, beginnt ihre Arbeiten. (Vgl. 13. Juni.)