Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 22.— 23.) 19
kleinsten Beiträge willkommen sein. Über die Ausführung werden wir öffent-
lich Rechenschaft legen.“
Der Aufruf ist von dem Präsidenten des Preußischen Herrenhauses,
Herzog von Ratibor, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, von Köller,
dem Seehandlungs-Präsidenten, Rötzer, sowie 116 bekannten Persönlichkeiten
aus allen Teilen Deutschlands unterzeichnet.
Der deutsch-freisinnige „Reichsfreund“ und der ultramontane „West-
fälische Merkur“ erklären sich gegen eine Beteiligung dieser Parteien an den
Sammlungen. Unter den Unterzeichnern des Aufrufs befindet sich ein frei-
sinniger Abgeordneter (Siemens), aber kein Mitglied des Zentrums.
22. Januar. (Postsparkassengesetz.) Reichstag: verweist
das Postsparkassengesetz an eine Kommission von 21 Mitgliedern.
Der Entwurf wird vom Zentrum aus partikularistischen Bedenken,
von den Freisinnigen wegen der drohenden Beeinträchtigung der kommunalen
Sparkassen und von den Konservativen wegen der Zentralisierung des Ka-
pitals und der dadurch herbeigeführten Erschwerung des ländlichen Hypotheken-
Kredits bekämpft.
23. Januar. (Kolonialpolitik.) Reichstag: bewilligt die
am 9. Januar in die Kommission zurückverwiesene Etatsposition von
150000 M gegen die Stimmen des Zentrums und einiger Frei-
sinniger. Auch die Sozialdemokraten stimmen für die Position.
Die Kommission beantragt nunmehr, obgleich die Regierung neues
Material nicht beigebracht hat, die Bewilligung der ganzen Summe. Die
Debatte führt zu einer lebhaften Erörterung über die Kundgebungen, welche
infolge des Reichstagsbeschlusses vom 15. Dezember gegen die Opposition und
zu Gunsten der Kolonialpolitik des Reichskanzlers stattgefunden haben. Frei-
sinnige und Zentrum behaupten, daß die Bewegung mit Hilfe von ver-
leumderischen Angriffen auf die Opposition künstlich hervorgerufen sei, während
sie von konservativer und nationalliberaler Seite als eine echt volkstümliche,
als ein Stück deutscher Geschichte hingestellt wird.
23. Januar. (Preußen.) Der Regierungspräsident von
Stettin weist den Magistrat von Stettin an, dem von der Stadt-
verordneten-Versammlung gefaßten Beschluß „eine Petition an den
Reichstag gegen die Erhöhung der Getreidezölle zu beschließen und
den Magistrat zu ersuchen, das weitere zu veranlassen“, zu bean-
standen, da der Beschluß die Grenzen der durch § 35 der Städte-
Ordnung von 1853 bestimmten Zuständigkeit der Stadtverordneten-
Versammlung überschreite. (Die Verfügung wird im März 1886
vom Oberverwaltungsgerichte als ungesetzlich aufgehoben.)
23. Januar. (Samoa.) Die Besetzung des „Albabaß“ be-
legt das sog. „Munizipalgebiet“ von Apia (Samoa-Inseln) durch
Aufpflanzung der deutschen Flagge mit Beschlag, um den König
zur Erfüllung der im Vertrage vom 11. November 1884 (vgl.
Gesch.-Kal. 1884 S. 462) übernommenen Verpflichtungen anzuhalten.
Die Maßregel ist veranlaßt durch die von Neu-Seeland fortgesetzt betriebene
Agitation für die Annexion der Inseln durch England. (Vgl. oben S. 10 Abf. 1.)
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