Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Eraukreich. (Juni 9.) 301 
9. Juni. (Friede mit China.) Unterzeichnung des defini- 
tiven Friedens mit China in Tien-Tsin mit folgenden wesentlichen 
Bestimmungen: 
Art. 1. Frankreich verpflichtet sich, in den an das Kaiserreich China 
grenzenden Provinzen die Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten. 
Zu diesem Zwecke wird es die notwendigen Maßregeln ergreifen, um die 
Landstreicher= und Räuberbanden, welche die öffentliche Ruhe gefährden, auf- 
zulösen, zu vertreiben und zu verhindern, daß sie sich von neuem bilden. 
In keinem Falle aber dürfen die französischen Truppen die Grenze zwischen 
Tonkin und China überschreiten; Frankreich verspricht, diese Grenze zu 
achten und gegen jeden Angriff zu sichern. Seinerseits verpflichtet sich China, 
die Banden, welche sich in die an Tonkin grenzenden Provinzen flüchten, 
aufzulösen, zu versprengen und zu vertreiben, und diejenigen, welche sich auf 
seinem Gebiete zu bilden versuchen sollten, um die unter dem Schutze Frank- 
reichs stehende Bevölkerung heimzusuchen, auseinanderzusprengen. In Anbe- 
tracht der ihm für die Sicherheit seiner Grenzen gewährten Bürgschaften 
untersagt es sich gleichfalls, Truppen nach Tonkin zu senden. Die hohen 
vertragschließenden Parteien werden durch einen besondern Vertrag Beding- 
ungen für die Auslieferung von Verbrechern zwischen China und Anam fest- 
stellen. Art. 2. In dem Entschlusse, nichts zu thun, was die von Frank- 
reich unternommene Herstellung der Ruhe gefährden könnte, verpflichtet sich 
China, in Gegenwart und Zukunft die Verträge, Ubereinkünfte und Ab- 
machungen zu achten, welche Frankreich mit Anam unmittelbar abgeschlossen 
hat oder abschließen wird. Die Beziehungen zwischen China und Anam 
werden nicht derart sein, daß sie der Würde des chinesischen Reiches zu nahe 
treten oder Anlaß zu irgend einer Verletzung des gegenwärtigen Vertrages 
geben könnten. Artikel 3 bestimmt, daß binnen sechs Monaten beiderseitige 
Bevollmächtigte an Ort und Stelle die Grenze zwischen China und Tonkin 
abstecken sollen. Artikel 4 regelt die Paßvorschriften. Artikel 5. Der Ein- 
und Ausfuhrhandel wird den französischen Kaufleuten oder den französischen 
Schützlingen und den chinesischen Kaufleuten über die Landgrenze zwischen 
China und Tonkin gestattet sein. Er muß jedoch über gewisse Punkte ge- 
leitet werden, die später festgestellt werden und deren Auswahl und Zahl 
mit der Richtung sowohl als mit der Bedeutung des Handels zwischen den 
beiden Ländern im Verhältnis stehen sollen. In dieser Beziehung wird den 
im Innern des chinesischen Reiches bestehenden Vorschriften Rechnung ge- 
tragen werden. Jedenfalls sollen zwei solcher Punkte an der chinesischen 
Grenze bezeichnet werden, und zwar einer oberhalb Lao-Kai, ein anderer 
jenseit Langson. Französischen Händlern soll es gestattet sein, sich dort unter 
den nämlichen Bedingungen anzusiedeln, wie in den dem fremden Handel 
eröffneten Häfen. Die chinesische Regierung wird dort Zollämter errichten 
und die französische Regierung dort Konsuln unterhalten, deren Rechte und 
Amtsbefugnisse die nämlichen sein werden, wie die der Beamten desselben 
Ranges in den offenen Häfen. Seinerseits kann der Kaiser von China in 
Ubereinstimmung mit der französischen Republik in den hauptsächlichsten 
Städten Tonkins Konsuln ernennen. Artikel 6. Ein binnen drei Monaten 
auszuarbeitender Anhang zu diesem Vertrage wird die Bedingungen für den 
Handelsbetrieb zu Lande zwischen Tonkin und den chinesischen Provinzen 
Hünnan, Kuang-Si und Kuang-Tong feststellen. Die Waren, welche den 
egenstand dieses Handels bilden, werden bei der Einfuhr und der Ausfuhr 
zwischen Tonkin und den Provinzen Dünnan und Kuang-Si Zöllen unter- 
worfen, welche niedriger sind als die, welche der gegenwärtige Tarif für den 
20“
	        
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