22 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 25.—26.)
waren. Der Fürst meinte, dies sei keine Frage, welche durch einen Rechts-
streit zu regeln sei. Ich sagte dann zum Fürsten, daß die ganze Situation
unzweifelhaft eine sehr unbefriedigende sei, und daß mir dies großen Ver-
druß bereite, da es mein Hoffen und Bestreben gewesen sei, den Instruktionen
Ewr. Lordschaft gemäß ein herzlicheres Einvernehmen zwischen den beiden
Ländern herbeizuführen; daß ich wisse, wie es niemals die Absicht Ihrer
Majestät Regierung gewesen sei, die kolonialen Bestrebungen Deutschlands
zu durchkreuzen, und daß nach meiner Ansicht unsere Handlungsweise diesen
Wunsch wiederholt gezeigt habe; aber ich sagte auch, daß es für uns un-
möglich sein würde, seinen Wünschen gemäß zu handeln, selbst wo uns dies
leicht sei, so lange wir diese Wünsche nicht kennen. Ich bat den Fürsten
daher, mir zu sagen, was er in diesem Augenblick verlange. Seien es die
Teile von Neu-Guinea, die wir jetzt annektieren: Sei es Zululand? Ich
meinte, daß die Kenntnis seiner Wünsche, welches immer diese auch sein
mögen, besser sei, als daß wir beiderseitig im Dunkeln agieren und folglich
gegen einander rennen. Der Fürst erwiderte, daß das Einvernehmen, zu dem
er mit Frankreich gelangt sei — weil es ihm nicht geglückt sei, sich mit uns
zu verständigen — es außer seiner Macht stelle, die Frage jetzt so aufzu-
nehmen, wie er es uns gegenüber im Mai erklärt habe. Die lange Unter-
redung kam damit zu Ende, daß der Fürst sagte, er sei begierig gewesen,
mir die lange Reihe von Zwischenfällen zu erläutern, die der gegenwärtigen
Phase der politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die, wie er
sicher sei, von mir ebenso bedauert werden müsse, wie er dies thue — voran-
gegangen sind.“ (St.-A. 45, 8493; Vgl. 7. Febr. und 2. März.)
25. Januar. (Arbeiterschutz.) Der in Berlin versammelte
Ausschuß des Zentral-Verbandes deutscher Industrieller faßt in Bezug
auf die dem Reichstage vorliegenden Anträge, betreffend die Aus-
dehnung der Arbeiterschutzgesetzgebung, folgende Resolution:
„Die deutsche Industrie hat stets ihre Bereitwilligkeit bewiesen, das
Loos ihrer Arbeiter bestens zu gestalten und zu diesem Zwecke schwere Lasten
auf sich genommen und wird auch in Zukunft nach Kräften hiezu bereit sein.
Es muß aber gleichmäßig den Interessen der Arbeitgeber und Arbeiter zum
Schaden gereichen, wenn unaufhörlich gesetzgeberische Versuche im Reichstage
unternommen werden ohne genügende Vorbereitung und ohne daß die große
Mannichfaltigkeit und Verschiedenartigkeit der thatfächlichen Verhältnisse
hiebei berücksichtigt sind und ohne daß den Beteiligten zuvor Gelegenheit
gegeben ist, mit ihren aus der Erfahrung geschöpften Ansichten und Wünschen
gehört zu werden. Angesichts der dem Reichstage gegenwärtig vorliegenden
Anträge auf Ausdehnung des Arbeiterschutzes erklärt daher der Ausschuß
des Zentralverbandes deutscher Industrieller es für unumgänglich notwendig,
daß, ehe die Gesetzgebung auf diesem Gebiete weiter in Anspruch genommen
wird, eingehende Erhebungen darüber angestellt werden, ob und inwieweit
zu einem gesetzgeberischen Vorgehen ein praktisches Bedürfnis vorliegt, ob die
Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt hiedurch
beeinträchtigt und ob nicht das wohlverstandene Interesse der Arbeiter selbst
geschädigt werde. Hiebei erscheint es insbesondere wünschenswert, daß auch
Arbeiter, welche für Familienangehörige zu sorgen haben, gehört werden.
Ferner erklärt der Ausschuß des Zentralverbandes deutscher Industrieller, in
Erwägung, daß Mißbräuche, die vereinzelt vorkommen mögen, in anderer
Weise beseitigt werden können, sich schon jetzt gegen die generelle Begrenzung
der Arbeitszeit erwachsener männlicher Personen."
26. Januar. (Neu-Guinea. Samoa.) Der deutsche Bot-