Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Schweit. (März 16.) 331 
gabe der Bevölkerungszahl verteilt, eventuell vor 1890 zunächst zum vollen 
Ersatz an die Ohmgeldkantone für den Wegfall der Ohmgelder verwandt. 
16. März. (Alkoholvorlage.) Der Nationalrat beschließt 
mit 103 gegen 18 Stimmen, die Revision der Verfassung bei dem 
Volke zu beantragen. 
Der Beschluß lautet: 
Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (Staatsarchiv 26, 5177, 
5178) wird in nachfolgender Weise abgeändert, beziehungsweise ergänzt: 
Art. 31. Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen 
Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet. Vorbehalten sind: 
a. (wie bisher.) 
b. Die Fabrikation und der Verkauf gebrannter Wasser, nach Maß- 
gabe des Art. 32 bis. (neu.) 
. Das Wirtschaftswesen und der Kleinhandel mit geistigen Getränken. 
Die Kantone können auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirt- 
schaftsgewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getränken den durch das 
öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen. Bezügliche Gesetze 
unterliegen der Genehmigung des Bundesrates. (neu.) 
d. und e. wie bisher. 
Art. 32 bis. Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung Vor- 
schriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser zu er- 
lassen. Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen Erzeugnisse, welche nicht 
zum inländischen Konsum bestimmt sind, sondern entweder ausgeführt werden 
oder eine Genußzwecke ausschließende Zubereitung erfahren haben, keiner Be- 
steuerung unterworfen werden. Das Brennen von Wein, Obst und deren 
Abfällen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen ist 
von den Bundesvorschriften betreffend die Fabrikation ausgenommen. 
Wenn vor Ende des Jahres 1890 ein Jundzee im Sinne dieses 
Artikels eingeführt wird, so fallen schon mit dessen Inkrafttreten die von den 
Kantonen und Gemeinden nach Art. 32 bezogenen Eingangsgebühren auf geisti- 
gen Getränken dahin. 
Nach dem Wegfall dieser Eingangsgebühren kann der Handel mit 
nicht gebrannten geistigen Getränken von den Kantonen keinen andern be- 
sondern Steuern unterworfen werden, noch andern Beschränkungen als solchen, 
welche zum Schutze vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken not- 
wendig sind. Jedoch bleiben hiebei in betreff des Betriebes von Wirtschaften 
und des Kleinverkaufs von Ouantitäten unter zwei Liter die den Kantonen 
nach Art. 31 zustehenden Kompetenzen vorbehalten. 
Die aus der Besteuerung des Verkaufs gebrannter Wasser erzielten 
Reineinnahmen verbleiben den Kantonen, in welchen sie zum Bezuge gelangen. 
Die Reineinnahmen des Bundes aus der Belastung des einheimischen 
Produkts und aus dem entsprechenden Zollzuschlag auf eingeführte gebrannte 
Wasser werden unter die sämtlichen Kantone nach Verhältnis der durch die 
jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten faktischen Bevölke- 
rung verteilt. 
Die Kantone sind verpflichtet, von den bezüglichen Einnahmen 5 bis 
10% zur Bekämpfung des Alkoholismus zu verwenden und hierüber dem 
Bundesrate alljährlich Bericht zu erstatten. 
Wenn diese Bundesgesetzgebung schon vor Ende des Jahres 1890 in 
Kraft tritt und die gemäß der obigen Bestimmung auf die einzelnen Kantone 
und Gemeinden entfallenden Anteile an der zur Verteilung kommenden Summe 
nicht hinreichen, um die dahingefallenen Gebühren auf geistigen Getränken 
Europ. Geschichtskalender. XXVI. Bd. 22
	        
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