Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Schweiz. (Juni 18. — September 18.) 335 
um der die schweizerische Industrie schädigenden Schutzpolitik der 
Großstaaten entgegenzutreten“, dahin, 
daß der Bundesrat zunächst durch das Handelsdepartement genaue 
Erhebungen über die Wirkung der bestehenden Handelsverträge auf den 
Schweizer Verkehr veranstaltet habe und auf Grund der Ergehnisse dieser 
Untersuchungen prüfen werde, welche Verträge zu kündigen seien. „Es möchte 
allerdings nützlich sein, wenn durch eine Verbindung derzjenigen, freilich heut- 
zutage wenig zahlreichen und weit auseinander liegenden Staaten, welche 
einer liberalen Zollpolitik huldigen, Maßnahmen gegen die verkehrshindern- 
den Schutz= und Prohibitivzölle getroffen werden könnten, wie die Kommis- 
sion des Ständerates in ihrem Berichte bemerkt und wie dieß auch von pri- 
vaten Autoritäten schon empfohlen und vorgeschlagen worden ist. Aber die 
Kommission hat nur allzu sehr recht, wenn sie dabei von großen, vielseiti- 
gen Schwierigkeiten spricht, mit denen ein Vorgehen auf diesem Wege zu 
rechnen haben dürfte. Dessen ungeachtet wird der Bundesrat auch dieses 
Mittel noch einer näheren Prüfung unterstellen.“ 
18. Juni. (Wahlgesetz.) Der Nationalrat lehnt die Bun- 
desratsvorlage betr. die Wahlen und Abstimmungen mit 55 gegen 
48 Stimmen ab. 
Die Vorlage bezweckt einheitliche Vorschriften über das aktive und 
passive Wahlrecht und über das Wahlverfahren zu treffen, will jedoch be- 
züglich der reglementarischen Bestimmungen im einzelnen den Kantonen volle 
Freiheit lassen. 
5. Juli. (Zürich.) Die Wiedereinführung der Todesstrafe 
wird mit 27577 gegen 21377 Stimmen und die Einführung obli- 
gatorischer Fortbildungsschulen mit 24 995 gegen 21 849 Stimmen 
abgelehnt. 
Am 27. Mai 1883 hatte die Volksabstimmung eine geringe Mehrheit 
für die Todesstrafe ergeben; diesem Votum schloß sich am 29. September 
1884 der Kantonsrat mit 133 gegen 52 Stimmen an. Die erforderliche 
zweite Volksabstimmung ergibt das obige ablehnende Resultat. 
12. Juli. (Tessin.) Bei der Volksabstimmung wird die 
Vorlage betr. die Tessin-Regulierung abgelehnt. 
Die Regierung demissioniert infolge dieser Abstimmung, wird aber 
vom Großen Rat sofort in ihrer früheren Zusammensetzung wieder gewählt. 
3.—18. September. Die Literar-Konferenz stellt den Ent- 
wurf zu einer internationalen Ubereinkunft zum Schutz des literari- 
schen und künstlerischen Eigentums fest. 
Die Einladungen zu der Konferenz sind am 24. April von der 
Schweiz erlassen. Der Entwurf wird von den Delegierten Deutschlands, 
Spaniens, Frankreichs, Großbritanniens, Hasti's, Hondura's, Italiens, der 
Niederlande, Schwedens und Norwegens, der Schweiz und Tunisiens unter- 
zeichnet. Die Delegierten Argentiniens, Paraguay's, der Vereinigten Staaten 
von Amerika und Belgiens unterzeichnen noch nicht, sprechen aber im Namen 
ihrer Regierungen dem Projekte ihre größte Teilnahme aus. Osterreich-Un- 
garn ist auf der Konferenz nicht vertreten, weil zwischen den beiden Reichs- 
hälften keine Einigung über die Frage zustande gekommen ist.
	        
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