370 Die Türkei und ihre Vasallenstaaten. (November 14.)
griffen, um deutlich zu zeigen, daß Serbien sich gegenüber der Störung des
Gleichgewichts der Balkanvölker nicht gleichgiltig verhalten könne, namentlich
wenn dies ausschließlich zum Vorteile des Staates geschehe, welcher sich Ser-
bien jeder Zeit als schlechter Nachbar erwiesen habe. Der König weist auf
die ungerechtfertigten Zollmaßregeln Bulgariens gegen Serbien hin, ferner
auf die gewaltthätige rechtswidrige Aneignung von Bregowa und die öffent-
liche Aufmunterung gerichtlich verurteilter Landesverräter in deren rebellischen
Unternehmungen. Das alles habe der König ertragen, geleitet von dem
Wunsche, Beweise der Geduld zu geben, wie es einem Staate zieme, welcher
seine Freiheit mit dem eigenen Blute erkaufte, durch die Sympathien Europas
gedieh und auf jedem Schritt seiner Entwicklung die fremden Rechte bewahrte
und wie sein eigenes achtete. Die geflissentliche Mißhandlung serbischer Unter-
thanen in Bulgarien jedoch, die Grenzsperre, die Anhäufung undisziplinierter
Freiwilligenmassen an der Grenze, der bewaffnete Angriff auf die Grenpbe-
völkerung und sogar auf die serbische Armee, dies alles bilde eine absicht-
liche Herausforderung, welche der König weder im Namen der heiligsten
Interessen des Landes noch der Würde des serbischen Volkes und der Ehre
der serbischen Waffen zu ertragen vermöge. Die Proklamation schließt: „Das
sind die Gründe, deretwegen ich den Zustand öffentlicher Feindschaft, welchen
die bulgarische Regierung herbeigeführt, eintreten lasse und meiner treuen
und tapferen Armee anbefohlen habe, die Grenze des Fürstentums zu über-
schreiten. Die gerechte Sache Serbiens beruht nunmehr auf der Entscheidung
der Waffen, der Tapferkeit der Armee und dem Schutze des allmächtigen
Gottes. Indem ich dies meinem theuren Volke kundgebe, rechne ich in diesen
ernsten Zeiten auf seine Vaterlandsliebe und seine Ergebenheit für die heilige
Sache Serbiens."“
14. November. Die Serben überschreiten die Grenze. Siege
der Serben.
Der Einmarsch der Serben geschieht in 4 Kolonnen. Die nördliche
Abteilung unter General Leschjanin rückt gegen Widdin vor. Der Angriff
gegen die Hauptstadt wird durch drei Kolonnen unter dem Befehl des Ge-
neral Jovanowitsch ausgeführt, welche an drei verschiedenen Punkten die Grenze
überschreitend konzentrisch gegen Sophia vorrücken. Die Donau-Division soll
über Dragoman und Slivnica auf der geraden Straße, die Schumadija-
Division über Banskidol, Trn und Bresnik, und die Morawa-Division über
Blassina, Radomir und Pernik vordringen. Die lestem beiden sollen wäh-
rend ihres Marsches eine Schwenkung ausführen, so daß ihre Front sich
nach Norden wendet und dann die östlich von Sophia befindlichen Höhen
der Visker= und Lünlün-Planina zu gewinnen trachten. In den ersten Tagen
nach der Kriegserklärung werfen die serbischen Truppen die Bulgaren über-
all zurück. Die Donau-Division dringt bis Slivnitza vor, die beiden andern
Abteilungen gelangen über Bresnik, respektive Pernik bis unmittelbar vor die
Hauptstadt.
14. November. Fürst Alexander bricht von Philippopel nach
dem Kriegsschauplatz auf und erläßt das folgende Kriegsmanifest:
Wir Alexander I., von Gottes Gnaden und dem Willen des Volkes
Fürst von Bulgarien: Die Regierung der benachbarten serbischen Völker, ge-
leitet von persönlichen und egoistischen Motiven und von dem Wunsche er-
füllt, unser heiliges Werk der Vereinigung des bulgarischen Volkes zu ver-
hindern, erklärte heute ohne gesetzlichen und gerechten Grund unserm Staate
den Krieg und gab ihren Armeen Befehl, in unser Land einzudringen. Mit
großem Bedauern haben wir diese traurige Nachricht vernommen, denn wir