Lie Türkei und ihre Yafallenssaten. (November 17.—20.) 373
wären. Serbien hat an Bulgarien den Krieg erklärt. Seine Armee hat
vorgestern unter Umständen, welche jedermann kennt, einen Einbruch in unser
Gebiet gemacht. Und inzwischen haben Europa, welches besorgt ist, und die
Türkei, welche darüber mit Eifersucht wacht, der Integrität des ottomanischen
Reiches Achtung zu schaffen, es, ohne Protest zu erheben, zugelassen und
lassen es noch zu, daß ein unabhängiger Staat das nämliche Prinzip der
Integrität mit Füßen trete, welches gegen Bulgarien unter einer Voraus-
setzung angerufen wird, die sich nicht mit der großen eben ausgebrochenen
Krisis in eine Parallele stellen läßt.
Zu dieser Stunde sind die europäischen Regierungen in der Lage, zu
beurteilen, von welcher Seite der Angriff ausgegangen ist. In seiner Lage
als Vasallenstaat des Sultans vermochte Bulgarien weder Serbien den Krieg
zu erklären, noch hat es ihn erklärt. Auch hat es der Fürst als seine hei-
ligste Pflicht erachtet, sich an den Sultan und an den Großvezier zu wenden,
sobald er von dem Einrücken der serbischen Armee in bulgarisches Gebiet
Kenntnis erlangte. Nachdem die vom Fürsten bei dieser Gelegenheit abge-
sendeten Telegramme bis zu diesem Tage ohne Antwort geblieben sind, so
hat Se. Hoheit, heute dem eindringenden Feinde entgegenziehend, welcher fast
bis vor die Thore der Hauptstadt gelangt ist, mir den Befehl gegeben, bei
dem ottomanischen Minister des Außern einzuschreiten, um eine Antwort
7 ruiuge (Hier läßt der Minister eine Abschrift der betreffenden Depesche
olgen.
Angesichts des Aktes einer unerhörten Aggression, welchen die serbische
Regierung soeben in Mißachtung des internationalen und des Völkerrechtes
gegen die fürstliche Regierung von Bulgarien begangen hat; angesichts der
Kriegskalamitäten, zu welchen Serbien allein die Initiative ergriffen hat
und deren Folgen es, wir sind davon überzeugt, allein zu tragen haben
wird, hält die fürstliche Regierung dafür, daß, wenn die Integrität der Türkei
jemals angegriffen oder verletzt worden ist, dies nicht durch die Thatsache
der Intervention Bulgariens in Rumelien geschehen konnte, da diese beiden
Länder in den territorialen Besitzstand des ottomanischen Reiches eintreten,
sondern durch die Thatsache dieses unqualifizierbaren Angriffes eines unab-
hängigen Staates, dessen einziger Zweck es ist, eine Gebietsvergrößerung auf
Kosten eines Nachbarlandes zu erlangen.
Die fürstliche Regierung macht es sich zur Pflicht, schließlich zu er-
klären, daß sie es dem hohen Gerechtigkeitsgefühle der Großmächte überläßt,
die Entscheidung zu treffen, da das letzte Wort Europa gehören muß.
17.—20. November. Kämpfe bei Sliovnitza.
Fürst Alexander trifft am 17. bei den bulgarischen Truppen ein und
wendet sich mit den neu angekommenen bulgarischen Truppen zunächst aus-
schließlich gegen die Donau-Division der Serben bei Slivnitza. Am 17. wer-
den die serbischen Angriffe von den Bulgaren zurückgeschlagen; am 18. und
19. greifen die Bulgaren ihrerseits an und werfen die Serben in die Flucht,
erstürmen am 22. den Dragomanpaß, erobern am 24. Zaribrod und zwingen
die Serben, sich über die serbische Grenze zurückzuziehen.
Diese Erfolge des Fürsten gegenüber der Donau-Division zwingen die
beiden andern serbischen Abteilungen, ohne bedeutenden Kampf ihre Positionen
aufzugeben und gleichfalls über die serbische Grenze zurückzugehen.
19. Oktober. Die Pforte fordert den Fürsten auf, die Feind-
seligkeiten einzustellen; sie werde mit Serbien einen Waffenstillstand
schließen und einen türkischen Kommissar nach Ostrumelien zur einst-
weiligen Führung der Verwaltung entsenden.