Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

374 IEIIIEEIIIIIIIIII 
Der Fürst erwiederte: 
„Nachdem Serbien entgegen dem internationalen und Völkerrechte und 
ohne Strafe seitens des suzeränen Hofes den Boden des Fürstentums verlitt 
hat, erkläre ich es als meine heilige Pflicht gegen die auf dem Schlachtfelde 
Gefallenen, sowie als Pflicht meiner militärischen Ehre, vor der vollständigen 
Räumung Bulgariens seitens der serbischen Truppen weder einen Waffen- 
stillstand vorzuschlagen, noch anzunehmen, und erst dann einem Friedens- 
schlusse zuzustimmen, wenn ich mich auf feindlichem Boden befinden werde."“ 
„Betreffs der von der Pforte vorgeschlagenen Entsendung eines kaiserlichen 
Kommissärs nach Philippopel vor der Räumung des fürstlichen Gebietes 
durch Serbien erachte ich es als meine Pflicht, zu erklären, daß nach meiner 
Ansicht unter den obwaltenden Umständen, wo ich mich an der Spitze der 
Armee befinde und meine Bemühungen auf Befreiung des Gebietes gerichtet 
sein müssen, die Entsendung eines kaiserlichen Kommissärs die Ordnung und 
Ruhe in der rumeliotischen Bevölkerung gefährden würde. Demnach wird 
die Pforte die Gewogenheit haben, diese Frage bis zum wiederhergestellten 
Frieden mit Serbien zu vertagen.“ Ferner richtet der Fürst ein Rund- 
schreiben an die Großmächte, in welchem er die Verantwortung für die Fol- 
gen des von der Pforte beabsichtigten Schrittes ablehnt und die Großmächte 
bittet, „die Entsendung des Kommissärs zu vertagen und die rumeliotische 
Frage erst dann zu regeln, wenn der serbisch-bulgarische Krieg durch den 
Abschluß eines Friedens beendigt sein wird, welcher der Würde, Ehre und 
den Opfern des bulgarischen Volkes, seines Fürsten und seiner Regierung 
gebührende Genugthuung gibt.“ 
25. November. Die Botschafterkonferenz geht resultatlos aus- 
einander. 
Die auf Grund der Einladung der Pforte vom 21. Oktober zusammen- 
getretene Konferenz wählt Said Pascha zu ihren Präsidenten und hält 7 
Sitzungen. Die Pforte stellt folgende Anträge: Einen Bevollmächtigten zu 
ernennen, der sowohl im Auftrage der Pforte wie der Mächte dem Fürsten 
Alexander die schriftliche Aufforderung überbringen soll, selbst und mit seinen 
Truppen Ost-Rumelien zu räumen; 2) denselben Bevollmächtigten zu beauf- 
tragen, an die Behörden wie an die Bevölkerung von Ost-Rumelien eine 
öffentliche Aufforderung zu richten mit der Mahnung, den früheren Zustand 
wiederherzustellen und sich in die Entschließungen der Mächte zu fügen; 
3) denselben Bevollmächtigten als Civilkommissar bis zur Ernennung eines 
neuen Generalgouverneurs mit der Wahrung der Ordnung und der Ruhe 
in Ost-Rumelien zu betrauen, und endlich 4) einen internationalen Ausschuß 
einzusetzen mit der Aufgabe, die Berechtigung etwaniger, auf Verbesserung 
der Verwaltungseinrichtungen abzielender Wünsche der ostrumelischen Be- 
völkeruug zu prüfen. 
Sämtliche Großmächte mit Ausnahme Englands einigen sich schließlich 
über 4 Resolutionen, welche im wesentlichen dahin gehen: 1. Die Pforte soll 
einen Kommissar nach Ostrumelien entsenden, welcher als provisorischer 
Generalgouverneur die Verwaltung führen soll. 2. Gleichzeitig soll eine ge- 
mischte Kommission sich über die Bedürfnisse und Wünsche der Ostrumelier 
informieren und denselben innerhalb der Grenzen des Berliner Ver- 
trages Rechnung tragen. 3. Nach Wiederherstellung der Ordnung soll ge- 
mäß dem Berliner Vertrag ein neuer Generalgouverneur ernannt werden. 
4. Zunächst soll eine vorläufige türkische Gesandtschaft nach Ostrumelien 
gehen, um die Behörden und die Bevölkerung zu ihrer Pflicht zurückzurufen; 
die Großmächte sollen diese Gesandtschaft durch Mitteilung der Resolutionen 
an ihre Vertreter in Philippopel unterstützen. Die Resolutionen bezwecken
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.