Die Türkei und ihre Pasallenstaaten. (November 25.—30.) 375
also im wesentlichen die Wiederherstellung des status quo ante. England
verweigert seine Zustimmung zu diesen Resolutionen; es verlangt, daß die
Erwähnung des Berliner Vertrages in demselben fortfalle, so daß der ge-
mischten Kommission eine vom Berliner Vertrag abweichende Ordnung der
Dinge in Ostrumelien freistehen würde.
An diesem Gegensatz, der schon von Anfang an die Konferenz be-
herrscht, scheitern schließlich die Beratungen.
In der Sitzung vom 25. November macht England den Versuch, die
Beratungen der Konferenz durch den Antrag, den kriegführenden Parteien
ein Schiedsgericht vorzuschlagen, von dem Gegenstande abzuziehen. Der Vor-
sitzende läßt jedoch diesen Antrag, als über das Programm der Konferenz
hinausgehend, nicht zu. (St. A. 46, 8899.)
25. November. Die Vertreter der Großmächte in Belgrad
richten eine Kollektiv-Vorstellung an den König von Serbien und
den Fürsten Alexander,
in welcher sie erklären, daß sie sich auf Vorschlag Rußlands geeinigt
hätten, um dem Blutvergießen Einhalt zu thun und dem brudermörderischen
Kampfe ein Ziel zu setzen.
König Milan weist darauf seine Befehlshaber an, die Feindselig-
keiten einzustellen und diese Entschließung den ihnen gegenüberstehenden bul-
garischen Kommandanten mitzuteilen. Die Kanonade von Widdin, wo die
Serben im Vorteil sind, wird trotzbem noch tagelang fortgesetzt, angeblich
weil der dort kommandierende General Leschjanin nicht rechtzeitig von dem
Beschluß des Königs in Kenntnis gesetzt werden konnte.
Fürst Alexander setzt den Vormarsch fort, da es den Vertretern
der Großmächte unmöglich ist, den Fürsten von Sophia aus zu erreichen.
26.—28. November. Die Bulgaren überschreiten die Grenze
und schlagen die Serben bei Pirot.
28. November. Einzug des Fürsten Alexander in Pirot.
Intervention des österreichischen Gesandten in Belgrad, Grafen
Khevenhüller.
Auf Vorschlag der Großmächte überbringt Khevenhüller, indem er die
beiderseitige Vorpostenlinie passiert, dem Fürsten die Kollektiv-Vorstellung der
Großmächte; ferner stellt derselbe namens seiner Regierung dem Fürsten für
den Fall weitern Vorrückens österreichische Intervention in Aussicht. Der
Fürst stellt daher gleichfalls die Feindseligkeiten ein, indem er folgendes
Rundschreiben an die Großmächte erläßt:
„Mit Rücksicht auf die Kollektiv-Note der Vertreter der Großmächte
und unp die Erklärung des Grafen Khevenhüller, der seitens seines Souve-
räns erschien und erklärte, daß, wenn wir vormarschieren, die österreichischen
Truppen nach Serbien den serbischen Truppen zu Hilfe kommen werden;
ferner im Hinblicke darauf, daß unser siegreicher Einzug in Pirot unsere
militärische Ehre wahrt und unsern Ruf sichert, habe ich eingewilligt, den
Befehl zum Aufhören der Feindseligkeiten zu erteilen, um sonach Verhand-
lungen wegen Waffenstillstands-Bedingungen zu eröffnen."“
30. November. Die Pforte erläßt eine allgemeine Amnestie
für die bei dem ostrumelischen Staatsstreich Beteiligten und schickt
Lehbi Pascha und Gadban Pascha als Kommissare nach Ostrumelien.
Die Delegierten sind beauftragt, eine den Konferenz-Resolutionen ent-