376 HNie Türkei und ihre Pafallenstaaten. (Novbr. 30. — Dezbr. 3.)
sprechende Proklamation in Ostrumelien zu verbreiten. Dieselben nehmen
jedoch von dieser Maßregel Abstand, da sie sich während ihres Aufenthaltes
im Lande davon überzeugen, daß eine die Aufrechterhaltung des Status quo
in Aussicht nehmende Proklamation bei der herrschenden Aufregung und an-
gesichts der von der Nation gebrachten Opfer im Kriege einen äußerst un-
günstigen Eindruck machen, ja gefährliche Folgen haben könnte.
30. November. Armeebefehl des Kaisers von Rußland über
den serbisch-bulgarischen Krieg:
Indem der Kaiser den Nachrichten vom Kriegsschauplatze seine beson-
dere Aufmerksamkeit zugewendet, habe er mit Vergnügen die glänzenden
Resultate der ehrlichen und nützlichen Thätigkeit der russischen Offiziere be-
merkt, welchen die Formierung und Ausbildung der bulgarischen und ost-
rumelischen Truppen anvertraut war. Tief betrübt durch den brudermörde-
rischen Krieg, findet der Kaiser jedoch die Entschlossenheit und Selbstverleug-
nung, sowie die Ausdauer und Ordnungsliebe der bulgarischen und ostrume-
lischen Truppen hohen Lobes wert. Nachdem der Kaiser mit Vergnügen sich
von der vernünftigen und selbstverleugnenden Thätigkeit der russischen Offi-
ziere überzeugt hat, welche den jungen bulgarischen und ostrumelischen Truppen
die entsprechenden militärischen Eigenschaften und den heldenmütigen Kriegs-
geist beizubringen verstanden haben, spricht er seinen Dank dem früheren
bulgarischen Kriegsminister Kantakuzene und sein Wohlwollen sämtlichen
Generalen, Stabs= und Oberoffizieren aus, welche in der bulgarischen und
rumelischen Armee gedient haben.
Anfang Dezember. Die direkten Waffenstillstandsver-
handlungen zwischen den kriegführenden Staaten bleiben resul-
tatlos.
Serbien verlangt beiderseitige Räumung des besetzten feindlichen Ge-
bietes, während Fürst Alexander, welcher befürchtet, daß Serbien den Waffen-
stillstand nur zur Sammlung und Wiederherstellung seiner geschlagenen Armee
benutzen wolle, um dann den Kampf von neuem zu beginnen, seine Stellung
in Serbien bis zum Friedensschluß besetzt halten will, dagegen Räumung
Bulgariens (des Widdiner Bezirks) durch die Serben verlangt.
3. Dezember. Fürst Alexander bittet den Sultan, die Ent-
sendung eines türkischen Kommissars nach Ostrumelien zu verschie-
ben und erläßt ein Rundschreiben an die Mächte, in welchem er
dieselben auffordert, die Pforte in diesem Sinne zu beeinflussen:
In der Note an den Großpvezier heißt es:
Getreu meinem dem Sultan gemachten Versprechen, wiederhole ich,
daß ich weder durch Entsendung bulgarischer Truppen nach Ostrumelien,
noch durch andere Mittel die Beschlüsse der rumelischen Bevölkerung beein-
flussen werde; es ist jedoch meine Pflicht, zu erklären, daß ich ebensowenig
heute als früher berechtigt bin, über das Schicksal Rumeliens oder über seine
Trennung zu entscheiden. Indem ich indessen einen neuen Beweis meiner
Absicht der Aufrechthaltung des Friedens, der Ordnung und Ruhe, welche
zu wahren mir bis zum heutigen Tage gelang, geben will, erachte ich es für
meine Pflicht, zu wiederholen, daß das beste Mittel zur Erreichung des vom
Sultan verfolgten Zieles die Verschiebung der Entsendung des keaiserlichen
Kommissärs nach Philippopel bis zum Friedensschlusse mit Serbien wäre.