402 Aebersiht der pelitischen Entwickelunz des Jahres 1885.
mung zu der Kolonialpolitik. Die Redner des Zentrums ver-
sicherten dem Reichskanzler, „daß die Majorität des Reichstages
niemals fehlen werde, wo es sich darum handelt, das Ansehen
und die Ehre des deutschen Reiches zu wahren“ und daß das
Zentrum „voll und ganz dabei sei, wenn es sich darum handele,
eine gesunde, nicht abenteuerliche Kolonialpolitik ins Werk zu
setzen." Der Abg. Frhr. v. Stauffenberg erklärte namens der
Freisinnigen, „daß wir, wie wir es schon früher gethan haben,
die Politik, die der Herr Reichskanzler in der bekannten Sitzung
des vorigen Jahres ausführlich entwickelt hat, vollständig billigen
und bereit sind, sie in diesem Umfang zu unterstützen."
Post- Die freisinnige Partei machte freilich viele Vorbehalte für
nnderhre Zustimmung; sie behielt sich vor, „in jedem einzelnen Falle
ganz genau zu prüfen: bewegen sich die Maßregeln, zu denen
unsere Zustimmung erhalten werden soll, für welche von uns
Geldmittel verlangt werden, bewegen sich diese Maßregeln inner-
halb des Rahmens, welchen der Herr Reichskanzler damals auf-
gestellt hat? sind die vorgeschlagenen Maßregeln notwendig, sind
sie zweckmäßig?!“ und auf Grund dieser Prüfung kam sie bereits
bei der Postdampfervorlage wiederum zu einem negativen Resultat;
sie gab zwar die Erklärung ab, daß sie für die asiatische Linie
allein stimmen wolle, da aber feststand, daß eine so beschränkte
Vorlage keine Majorität im Hause finden werde, war diese Be-
reitwilligkeit von keiner praktischen Bedeutung. Bei der Schluß-
abstimmung über das Gesetz war denn auch das Gros der Partei
bereits wieder bei der absoluten Opposition im Vereine mit den
Polen und Sozialdemokraten angelangt, während der größte Teil
des Zentrums und die Elsässer für das Gesetz stimmten.
Die großen Ereignisse der ersten drei Monate des Jahres
6rlP konnten keinen würdigeren Abschluß finden als in der Feier des
70. Ge. 70jährigen Geburtstages des Reichskanzlers. Die Fürsten und
½ Völker Deutschlands kamen, um dem Manne, welchem Deutschland
seine Wiedergeburt verdankt, zu huldigen. Mit Staunen und zum
Teil mit bitterer Enttäuschung sah das Ausland, wie es an diesem
Tage im deutschen Reiche, das man durch Parteiungen zerrissen
und geschwächt wähnte, nur eine Partei und nur eine Stimme