ebersicht der pelitischen Entwichelung des Jahres 1385. 403
gab; ja in Deutschland selbst erkannte man mit freudiger über-
raschung, wie wenig dauernden Eindruck die parlamentarischen
Kämpfe in der Nation hinterlassen hatten. Die Führer der Op-
pofitionsparteien freilich standen in stummem Groll beiseite, ihre
Wähler aber beteiligten sich an der Feier, ohne sich im geringsten
durch die Überlegung stören zu lassen, daß alle Erfolge der Bis-
marck'schen Politik gegen ihren heftigsten Widerstand erreicht waren.
Und in der That, wie hätte auch ein Deutscher zurückstehen können
an diesem Tage, ein Blick auf die Nachbarstaaten Deutschlands
und dann eine Umschau in der eigenen Heimat mußten genügen,
um alle die dem Kanzler dargebrachten Huldigungen auch in den
Augen seiner Gegner zu rechtfertigen: England am Ende der
schmählichen ägyptischen Expedition, am Vorabend des Konflikts
mit Rußland mit dem beängstigenden Gefühl, diesem Zusammen-
stoß nicht gewachsen zu sein; Frankreich in völliger Ratlosigkeit,
Ministerkrisis im Innern, militärische Niederlagen draußen; Oster-
reich — die Deutsch-Osterreicher wußten sich über den Jammer
ihrer staatlichen Zustände nicht anders hinwegzuhelfen, als indem
sie, soweit es die Regierung zuließ, das deutsche Fest mitfeierten,
denn eigene nationale Festtage waren ihnen seit langer Zeit nicht
beschieden gewesen und standen ihnen auch nicht in Aussicht.
Der bedeutsamen und erfolgreichen Frühjahrssession folgte Herbst-
eine um so unerfreulichere Herbstsession des Reichstages. Das sest
Zentrum hatte im Frühjahr nur widerwillig der Kolonialpolitik Neichs-
und der Dampfervorlage zugestimmt, es hatte notgedrungen dem eses.
Verlangen seiner Wähler nachgegeben. Bei Beginn der neuen
Session hatten die ultramontanen Führer endlich den Punkt ge-
funden, von welchem aus sie, ohne von ihren Wählern desavoniert
zu werden, der Kolonialpolitik Opposition machen konnten. Auf
Grund der Weigerung der Regierung, zwei Mitgliedern einer fran-Katho-
zösischen Kongregation die Gründung einer Missionsanstalt in Ka- alise,
merun zu gestatten, zog man den Schluß, daß die Regierung die katho= nen.
lischen Missionen in den Schutzgebieten überhaupt auszuschließen ge-
denke und machte diese angebliche Entschließung der Regierung zum
Gegenstande einer Interpellation. Vergebens legte der Reichskanzler
aufs eingehendste dar, daß die Zulassung je suitischer Missionare