Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Aebersict der yolilischen Eulwichelunz des Jahres 1885. 407 
gehofft hatten, daß aus der braunschweigischen Frage sich ernst- 
liche Schwierigkeiten für das Reich ergeben könnten, wurde noch 
ein kurzer Zeitraum angenehmer Täuschung gegönnt, indem die 
Justizkommission des Bundesrats, an welche der Antrag überwiesen 
wurde, wider Erwarten lange gebrauchte, um sich über den Antrag 
schlüssig zu machen. Diese Verzögerung der Entscheidung war 
jedoch nicht die Folge von Zweifeln über die zu ergreifende Maß- 
regel selbst, sondern der Ausschuß suchte nach einer Formulierung, 
welche die Entscheidung streng auf den vorliegenden Fall be- 
schränken und jede Möglichkeit, denselben als Präzedenz für spätere 
anders geartete Fälle zu verwenden, ausschließen sollte; er fand 
dieselbe schließhlich in der Fassung, „daß die Regierung des Her- 
zogs von Cumberland in Braunschweig, da derselbe sich in einem 
dem reichsverfassungsgemäß gewährleisteten Frieden unter Bundes- 
gliedern widerstreitenden Verhältnisse zu dem Bundesstaate Preußen 
befindet und im Hinblicke auf die von ihm geltend gemachten 
Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaates, mit den Grund- 
prinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung nicht 
vereinbar sei.“ Diese Fassung nahm der Bundesrat, nachdem 
vorher die braunschweigische Landesversammlung dieselbe als „dem 
öffentlichen Rechte und den Interessen des Reichs und des Landes 
völlig entsprechend“ anerkannt hatte, mit überwältigender Mehr- 
heit an. Einen für alle Gegner der Befestigung des Reichs ge- 
radezu niederschmetternden Abschluß fand die Angelegenheit in 
der einstimmigen Wahl eines Hohenzollern zum Regenten durch Wahl 
die braunschweigische Landesversammlung. Mit diesem Ergebnis grne#en 
ist aber die braunschweigische Frage nicht definitiv erledigt. Der korecht 
Bundesratsbeschluß vom 2. Juli richtet sich nur gegen den Herzogsuete 
von Cumberland persönlich; die Wahl des Regenten ist nach dem 
Regentschaftsgesetz vom 16. Februar 1879 nur erfolgt, „bis zum 
Regierungsantritt des Thronfolgers“ und es ist von der Land- 
tagskommission ausdrücklich hervorgehoben worden, daß zwar das 
Hindernis, welches den Herzog von Cumberland von der Thron- 
folge ausschließe, ein dauerndes sei, daß aber die Wahl des Re- 
genten in keiner Weise die Successionsrechte des Hauses Braun- 
schweig-Lüneburg beeinträchtige. Es ist also auch hier die Hoff-
	        
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