TNebersicht der politischen Eutwichelung des Jahres 1885. 417
Schritt zurückwich, dies that, weil es den Krieg noch nicht führen
wollte, weil es glaubt, zu einer späteren Zeit den Krieg mit
noch günstigeren Chancen aufnehmen zu können. Zu diesen gün-
stigen Chancen, die Rußland abwartet, scheint vor allen Dingen
die Vollendung der transkaspischen Eisenbahn zu gehören.
Welche Dimensionen der künftige Krieg annehmen wird, da-MKückwir-
für gaben die Nachwirkungen, welche die bloße Kriegsgefahr ——iissm
allen Weltteilen ausübte, manchen Anhaltspunkt: Schweden be= flikts.
gann die Insel Gothland in verteidigungsfähigen Zustand zu ver-
setzen, in Dänemark erregte die in der russischen Presse erhobene
Forderung, im Kriegsfalle den Sund für englische Schiffe zu
sperren, begreifliche Aufregung. Der Sultan ließ die Befestig-
ungen der Dardanellen durch seine deutschen Offiziere revidieren,
die Großmächte machten die Pforte auf ihre Pflicht, die Dar-
danellen den englischen Kriegsschiffen zu schließen, aufmerksam,
während andrerseits Lord Salisbury im Parlament (7. Mai) be-
reits den Weg zeigte, wie England sich der Verpflichtung, die
Sperrung der Dardanellen zu achten, entziehen könnte. Die zu-
fällige Sperrung des Suezkanals durch ein versunkenes Schiff rief
Betrachtungen hervor, auf welche Weise Rußland für den Kriegs-
fall am leichtesten den Kanal unpassierbar machen könnte. Rus-
sische Journale warfen unter dem Beifall der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“ die Pariser Deklaration bereits zu den Toten
und stellten die Ausrüstung von russischen Kaperschiffen im großen
Ozean in Aussicht, eine Perspektive, die England mit der Be-
setzung von Port Hamilton beantwortete. Ja auch auf die Be-
endigung des französisch -chinesischen Konflikts scheint die Even-
tualität eines englisch-russischen Krieges nicht ohne Einfluß geblieben
zu sein, sei es nun, daß China für diesen Fall bereit sein wollte,
um die Kuldschafrage von neuem anzuregen, sei es, daß England
seinen Einfluß zur Beilegung des Konflikts geltend gemacht hat.
um eventuell China als Bundesgenossen für den bevorstehenden
Kampf zu gewinnen.
Wie die militärischen Chancen sich für den Fall des Krieges
stellen, darüber Vermutungen anzustellen, ist müßig; daß die diplo-
matischen Vorteile alle auf seiten Rußlands sind, hat der vorjährige