434 Aebersiht der pelitisthen Entwichelung des Jahres 1885.
land in den Türkenkrieg gezogen, nur zur Errettung der bulgari-
schen Länder vom Türkenjoche wollte es das Schwert ziehen;
Europa schenkte diesen Versicherungen keinen Glauben, aber ir
Bulgarien glaubte man an dieselben oder gab sich wenigstens den
Anschein daran zu glauben und zog daraus seine Konsequenzen:
Man war den russischen Befreiern dankbar, aber man wollte nicht
die russische Herrschaft gegen die türkische eintauschen. „Bul-
garien für die Bulgaren“ wurde die Losung dieser Richtung dies-
seits und jenseits des Balkans.
Diese antirussische Richtung gewann die Oberhand, sie prokla-
mierte die Union im Gegensatz zu Rußland und riß damit der
russischen Regierung das wirksamste Mittel, durch welches sie ihren
Einfluß in Bulgarien von neuem zu befestigen hoffte aus den
Händen. Das äußere Kriterium dieser gegensätzlichen Strömungen
war die Stellung zum Fürsten Alexander. Der russische Agent
in Sophia hatte, wie Dr. Stransky der geistige Leiter der Revo-
lution dem englischen Militärbevollmächtigten Major Trotter er-
zählte, einigen ostrumelischen Deputierten die Unterstützung der
unionistischen Bewegung um den Preis der Absetzung Alexanders
angeboten. Wenige Wochen darauf war die Union proklamiert
— aber Fürst Alexander stand an der Spitze derselben.
Das große Ereignis war für sämtliche Kabinette Europas
eine vollständige Überraschung und die nächste Wirkung völlige
Ratlosigkeit, die um so größer war, als die meistbeteiligten Ka-
binette sich gegenseitig in Verdacht hatten, an der Bewegung
beteiligt zu sein. Die Türkei vermutete russische Machinationen,
in Rußland erregte es Argwohn, daß Fürst Alexander kurz vor
dem Ausbruch der Empörung bei den österreichischen Manövern
zugegen gewesen war. Indessen stellte sich bald heraus, daß alle
diese Kombinationen irrig waren, daß insbesondere Fürst Alexan-
der durch das Ereignis nicht weniger überrascht wurde wie die
Großmächte. Kurz entschlossen stellte sich jedoch der Fürst an
die Spitze der Bewegung, einmal, wie er selbst sagte, weil er sein
Volk nicht in diesem Augenblick in Stich lassen konnte, ferner
aber weil er richtig erkannte, daß die bis dahin unblutig ver-
laufene Revolution ohne sein Eingreifen notwendig in andere