Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

436 Aebersiht der politischen Eutwichelnun des Jahres 1885. 
von Bezirken mit gemischter Bevölkerung umgeben, beide gehen von 
dem richtigen Gedanken aus, daß in diesen gemischten Bezirken 
schließlich diejenige Nationalität die Oberhand gewinnen wird, 
welcher die politische Herrschaft zufällt. Jede Umwälzung kann 
den Keim enthalten, aus welcher sich die Kämpfe um die türkische 
Erbschaft entwickeln. So rief auch die Empörung in Philippopel 
sofort einen Gegenstoß in Belgrad und Athen hervor. Beide 
Staaten haben, um eine guasi-rechtliche Stütze für ihre Länder- 
ansprüche zu haben, das alte Prinzip des europäischen Gleichge- 
wichts auf die Balkanverhältnisse übertragen. Es gilt ihnen als 
unumstößliche These, daß die Vergrößerung des einen der Balkan- 
Kleinstaaten einen Machtzuwachs auch für die andern zur Folge 
haben müsse, wenn die letztern nicht in ihrer Existenz bedroht 
werden sollten. Demgemäß beantworteten Serbien und Griechen- 
land die Proklamierung der bulgarischen Union sofort mit der 
Mobilmachung, und zwangen so wiederum die Pforte, aus deren 
Länderbestand ja diese Ansprüche nur befriedigt werden konnten, 
zu Gegenmaßregeln. So standen bald sämtliche Staaten der 
Balkanhalbinsel — mit Ausnahme Rumäniens — in voller 
Kriegsrüstung sich gegenüber, Serbien und Griechenland mit der 
kategorischen Forderung: Wiederherstellung des Berliner Vertrages 
oder Kompensation für die bulgarische Union. Der Wursch, diese 
Staaten vor kriegerischen Unternehmungen zurückzuhalten, fiel bei 
der Pforte und den Großmächten zu Gunsten des Programmes 
der Wiederherstellung des status quo ante schwer ins Gewicht. 
Zu einer einheitlichen Kundgebung in diesem Sinne konnte indessen 
die in Konstantinopel versammelte Botschafterkonferenz bei dem 
Widerspruche Englands nicht gelangen. Die Zeit, während 
welcher ein Spruch der Großmächte möglicher Weise noch hätte 
von Wirkung sein können, ging unbenutzt vorüber; finanzielle 
Rücksichten und die Volksstimmung machten es Serbien unmöglich 
die bereits seit 2 Monaten begonnene Mobilmachung länger auf- 
Kriegs recht zu erhalten ohne zur Aktion zu schreiten: es erklärte am 
erklär. . . 
ung Ser. 13. November Bulgarien den Krieg. 
biens. Damit schien das Spiel der Bulgaren und ihres Fürsten 
verloren. Alexanders Lage war in den zwei Monaten seit Prokla-
	        
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