78 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 23. —25.)
tum das vollste Verständnis entgegentragen und seit langen Jahren zu den
erprobtesten Stützen der deutschen Verwaltung im deutschen Reichslande ge-
hören, mit bisher unerhörter Bitterkeit und Schärfe der Regierung entgegen-
treten, so darf man sich schon darauf verlassen, daß die Sache, der sie dienen,
eine berechtigte ist. — Das einzige wirklich durchgreifende Mittel liegt aber
in dem Austritt des Reichslandes aus der norddeutschen Branntweinsteuer-
Gemeinschaft, der ja auch die übrigen süddeutschen Staaten nicht angehören,
und der Einführung einer hohen Branntwein-Zirkulationssteuer in Elsaß-
Lothringen. Und das sollte unmöglich sein? „Ich würde an den guten Ab-
sichten der Reichsregierung in Bezug auf uns Reichsländer verzweifeln“ —
rief der Abgeordnete Schneegans heute bewegt aus —, „wenn sie trockener
staatsrechtlicher Erwägungen zuliebe auf der Fortdauer eines Zustandes be-
stehen sollte, der unser Land und unser Volk zu Grunde richtet.“ (Köln. Ztg.)
23.—25. April. (Preußen: Hessen-Nassau. Konver-
sion. Lotterie.) Abgeordnetenhaus: nimmt den Entwurf einer
Kreisordnung für die Provinz Hessen-Nassau, den Entwurf eines
Gesetzes über die Einführung der Provinzialordnung vom 29. Juni
1875 in der Provinz Hessen-Nassau, den Entwurf, betr. die Konver-
tierung der Anleihen der verstaatlichten Eisenbahnen, sowie den An-
trag Bödiker, betr. das Spielen in auswärtigen Lotterien, in zweiter
und dritter Lesung an.
Gegen die nassauischen Verwaltungsgesetze stimmen die Freisinnigen
und das Zentrum. Der Antrag Wirth, an Stelle der Wahlverbände der
größeren Grundbesitzer, der Landgemeinden und der Städte die Gemeinden
und die Gemeindevertretungen zu Wahlkörpern für die Kreistage zu machen.
wird in namentlicher Abstimmung mit 191 gegen 101 Stimmen abgelehnt.
Ebenso werden der Antrag Beisert auf Ausschluß sämtlicher Regierungs-
beamten von der Wählbarkeit zum Provinzial-Landtag, sowie der Antrag
Lieber auf Ausschluß der Landräte, sofern sie nicht dem Wahlverbande der
Großgrundbesitzer in ihrem Kreise angehören, abgelehnt, letzterer in nament-
licher Abstimmung mit 159 gegen 136 Stimmen.
Durch das Konvertierungsgesetz wird der Finanzminister ermächtigt,
den Inhabern von Schuldverschreibungen 5= oder 4½ prozentiger Eisenbahn-
anleihen, deren Kündigung nach den Anleihebedingungen erfolgen kann, vor
der Kündigung auch die Belassung dieser Schuldverschreibungen unter Herab-
setzung des Zinsfußes auf 4 Prozent, im übrigen unter Aufrechterhaltung
der bisherigen Anleihebedingungen durch öffentliche Bekanntmachung mit der
Wirkung anzubieten, daß das Angebot für angenommen gilt, wenn nicht
binnen einer in der Bekanntmachung festzusetzenden Frist unter Einreichung
der Schuldverschreibungen die Bezahlung des Kapitals beantragt wird. Aus
den Motiven ergibt sich, daß der Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen
4 ½ prozentigen Anleihen, soweit der Stand der Tilgung für einzelne An-
leihen zu übersehen ist, sich auf 1160 Millionen beläuft, wovon 209 Millionen
ausscheiden, bei denen nach Privilegien oder nach besonderen vertragsmäßigen
Abmachungen eine Totalkündigung entweder überhaupt oder bis zu einem bestimm-
den Zeitpunkt ausgeschlossen ist. Außerdem kommen aber noch in Betracht drei
5 prozentige Anleihen zum Betrag von rund 40 Millionen, welche in naher
Zeit kündbar sind. Die Herabsetzung des Zinsfußes wird eine Ersparnis
von mehr als 5 Millionen ermöglichen.
Der Antrag Bödiker bezweckt die strafrechtlichen Bestimmungen der
alten und neuen Provinzen über das Spielen in auswärtigen Lotterien in