Das dentsche Reich und seine einzelnen Slieder. (Jan. 14.) 9
Meinem Volke Meinen königlichen Dank zu sagen für den einmütigen und
erhebenden Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, der Mir zu dem Tage
entgegengebracht wurde, an welchem Ich auf die fünfundzwanzigjährige Dauer
einer durch Gottes Gnade nach innen und außen reich gesegneten Regie—
rung zurückblicken konnte. Zu gleicher Befriedigung hat es Mir gereicht,
daß bei dieser Gelegenheit auch außerhalb der Grenzen des Vaterlandes ein
Maß von wohlwollender Teilnahme an Unserer Feier zutage getreten ist,
welches den freundlichen Beziehungen des Reiches zu allen auswärtigen Re—
gierungen und Meinem vollen Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des
Friedens entspricht. Im übrigen will Ich hiermit den Präsidenten Meines
Staatsministeriums beauftragen, Ihnen weitere Mitteilungen über die Lage
des Staatshaushalts und über die auf dem Gebiete der Gesetzgebung an Sie
herantretenden Aufgaben zu machen.
(Den folgenden Teil der Thronrede verliest Fürst Bismarck:)
Die Finanzlage des Staates hat sich gegen das vorige Jahr, wo
ihre Unzulänglichkeit angesichts einer notwendigen Erhöhung der Matrikular-
beiträge sich in erheblichem Maße geltend machte, wieder günstiger gestaltet.
Das letzte abgeschlossene Rechnungsjahr zeigt auf fast allen wichtigeren Ver-
waltungsgebieten erfreuliche finanzielle Ergebnisse. Wenn dasselbe gleichwohl
keinen für das kommende Etatsjahr verfügbaren Uberschuß hinterlassen hat,
so ist dies die Folge der gesetzlichen Vorschriften über die Verwendung der
Jahresüberschüsse der Eisenbahnverwaltung, nach welchen der beträchtliche,
über die Voranschläge erzielte Uberschuß des Jahres auch in der Rechnung
eben dieses Jahres schon zu entsprechender Mehrtilgung der Staatseisenbahn-
schuld hat in Ausgabe gestellt werden müssen. Von dem laufenden Jahre
sind nach den bisherigen Wahrnehmungen ganz so günstige Ergebnisse nicht
zu erwarten; insbesondere wird der Uberschuß der Eisenbahnverwaltung unter
dem Einfluß einer verminderten Verkehrsentwickelung den Voranschlag viel-
leicht nicht voll erreichen. Dessenungeachtet erscheint die Hoffnung berechtigt,
daß das Gesamtergebnis auch des laufenden Jahres kein ungünstiges sein
werde. Für das nächste Jahr fällt ins Gewicht, daß inzwischen durch die
gesetzliche Überweisung von Zollerträgen an die Kommunalverbände und durch
die Pensionierung der Lehrer an den Volksschulen die ersten Schritte gethan
sind zur Befriedigung der auf dem Gebiete der Kommunal= und Schullasten
seit Jahren hervorgetretenen Bedürfnisse, für welche aus den bisherigen Ein-
nahmequellen des Staates die erforderlichen Mittel weder zu beschaffen waren,
noch in Aussicht stehen. Die Mehrausgaben infolge jener beiden Gesetze neh-
men die Mehreinnahmen, welche der Staatskasse inzwischen durch die Reichs-
gesetzgebung neu zugeführt worden sind, zum größern Teile in Anspruch,
während der Reichshaushalt eine erneute Steigerung der Matrikularbeiträge
für das nächste Jahr vorzusehen nötigt.
Unter diesen Umständen können auch die größeren Überschüsse, auf
welche bei den meisten Betriebsverwaltungen des Staates nach den sorgfältig
aufgestellten Voranschlägen wiederum zu rechnen sein wird, und die beträcht-
liche Erleichterung der Zinslast des Staates, welche durch die Umwandlung
bisher höher verzinslicher Schulden in vierprozentige gesichert ist, bei aller
Sparsamkeit und Beschränkung in der Berücksichtigung neuer Bedürfnisse nicht
hinreichen, um das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben im nächst-
jährigen Staatshaushaltsetat herzustellen. Es wird daher, wenn auch in ge-
ringerm Umfange wie für das laufende Jahr, abermals der Staatskredit zur
Deckung des Fehlenden in Anspruch zu nehmen sein. Die Regierung hat
hierin und in der Uberzeugung, daß es bei den geringen Anfängen einer Er-
leichterung des Druckes der Kommunal= und Schullasten und dem Aufschube