10 Das dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 14.)
der Verbesserung der Beamtenbesoldungen nicht etwa sein Bewenden haben
kann, erneuten Anlaß gefunden, auf die Weiterführung der Reichssteuerreform
hinzuwirken; insbesondere hat sie sich angelegen sein lassen, reichsgesetzliche
Bestimmungen zur Einführung des Branntweinmonopols vorzubereiten
und zu beantragen, von deren Annahme sie ausreichende Erträgnisse zur Be-
frieigung der dringenden Bedürfnisse in Staat und Reich und günstige Fol-
gen für Moral und Gesundheit erhofft. Die Entwürfe des Staatshaushalts-
etats für das nächste Jahr und eines Gesetzes wegen Aufnahme einer Anleihe
zur Ergänzung der nächstjährigen Einnahmen des Staates werden Ihnen als-
bald vorgelegt werden. Auf dem Gebiete der industriellen Thätigkeit
macht sich in einzelnen Betriebszweigen eine Stockung des Absatzes bemerkbar.
Diese Erscheinung läßt sich auf eine durch die bisherigen günstigen Erfolge
der gewerblichen Arbeit angeregte Steigerung der Betriebsamkeit und auf
den Wunsch zurückführen, dem deutschen Fabrikat im Wettbewerb mit den
konkurrierenden Industriestaaten den Vorsprung zu sichern. Eine Abbhilfe
hiergegen liegt außerhalb des Bereichs unserer Gesetzgebung. Nur die Zu-
rückführung unserer Produktion auf das Maß des Bedürfnisses wird die
ungünstigen wirtschaftlichen Folgen fernzuhalten vermögen, welche eine An-
häufung nicht aisne Erzeugnisse nach sich zieht. Die erfreulichen Er-
gebnisse unserer Eisenbahnpolitik gestatten, Ihnen auch in diesem Jahre
die Herstellung einer Reihe von Schienenverbindungen in verschiedenen Teilen
des Landes vorzuschlagen, durch welche wichtige Verkehrsgebiete erschlossen
und erhöhter wirtschaftlicher Entwickelung entgegengeführt werden sollen. Von
der Fürsorge für die Förderung der Binnenschiffahrt wird neben den
weiteren beträchtlichen Forderungen für Stromregulierungen und Schiffahrts-
anlagen in dem Staatshaushaltsetat eine Vorlage Zeugnis ablegen, welche
die im Jahre 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals von
Dortmund nach den Emshäfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projekts
und zugleich den dem gegenwärtigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Ausbau
der Wasserstraße von der mittleren Oder nach Berlin bezweckt. Nachdem in-
folge der jüngst ergangenen Kreis= und Provinzialordnungen die Ein-
führung der Verwaltungsreform sich in der Provinz Hannover in erwünschter
Weise vollzogen hat und für die Provinz Hessen-Nassau in nahe Aussicht
gerückt ist, bleibt die Vollendung des in seinen Grundzügen gesicherten und
bewährten Reformwerks für noch vier Provinzen der Monarchie eine wichtige
Aufgabe der Gesetzgebung. Zu diesem Behuf ist zunächst der Entwurf einer
Kreis= und Provinzialordnung für Westfalen ausgearbeitet worden, welcher
Ihrer verfassungsmäßigen Beschlußnahme unterbreitet werden wird. Das
Zurückdrängen des deutschen Elements durch das polnische in
einigen östlichen Provinzen legt der Regierung die Pflicht auf, Maßregeln
zu treffen, welche den Bestand und die Entwickelung der deutschen Bevölke-
rung sicherzustellen geeignet sind. Die zu diesem Zweck in Arbeit befindlichen
„Vorlagen werden Ihnes seinerzeit zugehen.
(Hierauf verliest der Kaiser folgenden Schluß:) Geehrte Herren! Sie
ersehen aus dem Verlesenen, daß der Landesvertretung wiederum ein ausge-
dehntes Feld wichtiger Thätigkeit eröffnet ist. Ich hoffe, daß Ihre Arbeit
auf demselben sich auch in diesem Jahre zu einer fruchtbringenden und unter
Gottes Segen für die Wohlfahrt des Landes förderlichen gestalten werde.
Im Herrenhaus wird das alte Präsidium: Herzog von Ratibor, erster
Präsident, Graf Arnim-Beitzenburg, erster Vizepräsident, Professor Beseler,
zweiter Vizepräsident, durch Akklamation wiedergewählt. Im Abgeordneten-
haus wird die Wahl des Präsidiums auf den 16. Jannar festgesetzt. Nach
der nicht offiziellen Aufstellung der Fraktionen im Hause der Abgeordneten
zählt die konservative Partei 129, das Zentrum 100, die nationalliberale