Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiter Jahrgang. 1886. (27)

Sweden und Nerweten. (April 17 Anfang Juli) 385 
Nachdem der schwedische Reichstag den Antrag abgelehnt hat, zieht 
der König auch die Vorlage an das norwegische Storthing zurück. Ein An- 
trag von seiten der Linken im schwedischen Reichstage, die Ausnahmestellung 
der jüngeren Prinzen aufzuheben und dieselben den übrigen Staatsbürgern 
gleichzustellen, wird abgelehnt. 
17. April. (Schweden.) Beide Kammern nehmen das Gesetz 
zum Schutze der nomadisierenden Lappländer an. 
18. Mai. (Schweden.) Der Reichstag wird ohne Thron- 
rede geschlossen. 
29. Mai. (Schweden.) Staatsminister Themptander gibt 
als Finanzminister seine Demission, behält jedoch die Konseils-Prä- 
fidentschaft bei. Staatsrat Freiherr v. Tamm wird zum Finanz- 
minister ernannt. 
Anfang Juli. (Schweden.) In Orebro tagt der dritte 
schwedische Arbeiterkongreß, an dem sich 76 von den etwa 
100 Arbeitervereinen des Landes beteiligen. 
Der Kongreß faßt als Programm der Arbeiterverbin- 
dung Schwedens, für welche gleichzeitig ein provisorischer Zentral- 
vorstand gewählt wird, nachstehende Beschlüsse: 
1. Es ist vollständige Religions-Freiheit zu gewähren. 2. Alle Wah- 
len in Schweden haben an einem Sonn= oder Festtage stattzufinden und die 
Reichstagswahlen zur zweiten Kammer im ganzen Reiche an einem und dem- 
selben Tage. Alle mündigen und unbescholtenen Schweden, welche ihren 
Verpflichtungen gegen Staat und Gemeinde nachkommen, sind zu allen poli- 
tischen und kommunalen Wahlen stimmberechtigt. 3. Es ist ein verbesserter 
und kostenfreier Schulunterricht mit einer allgemeinen Bürgerschule als Grund- 
lage in der Weise einzuführen, daß von dieser ein direkter Ubergang zu den 
höheren Schulen stattfindet. Die Schule ist vollständig von der Kirche zu 
trennen. 4. Alle indirekten Steuern, welche die Lebensbedürfnisse verteuern, 
sind abzuschaffen, dagegen sind direkte und progressive Einkommen- und Erb- 
schaftssteuern einzuführen. 5. Das Strafgesetz ist in humaner Richtung 
umzuarbeiten; Unbemittelten ist kostenfreie Rechtshilfe zu gewähren, und die 
Einführung von Schiedsgerichten ist anzustreben. 6. Es ist ein Normal- 
Arbeitstag von zehn Stunden einzuführen. (Ein Nebenantrag, betreffend 
das Verbot der Sonn= und Festtags-, sowie der Nachtarbeit, wurde abge- 
lehnt.) 7. Mit Unterstützung des Staates ist eine allgemeine Arbeiter-Unfall- 
und Pensions-Versicherung einzuführen. Die Arbeitgeber sind für Unfälle 
ihrer Arbeiter verantwortlich, wenn der Unfall eine Folge fehlerhafter Ar- 
beitsanordnungen oder mangelhafter Schutzmaßregeln ist. 8. Die schwedischen 
Arbeitervereine schließen sich den internationalen Friedensbestrebungen an.