398 Lerbien. (April 23. Juli 12.)
Die vorige Skuptschina zählte 52 königliche Abgeordnete. Laut Ver-
fassung steht es dem König frei, die Anzahl des gesetzlichen Drittels der
Regierungs-Abgeordneten vollzählig oder beschränkt zu ernennen.
23. April. (Neue Heeres-Organisation.)
27. April. (Kabinetswechsel.) Das Kabinet gibt seine
Entlassung und Nikolas Cristic übernimmt die Bildung des neuen
Kabinets. Dasselbe ist folgendermaßen zusammengesetzt: Nikolas
Cristic Präsidium und Inneres, Mijatovic Aeußeres, General Protic
Krieg, Georg Pantelic Justic, Beghitschewic Arbeiten, Dr. Wladau
Georgevic Kultus, Unterricht und interimistisch Handel und Mita
Raku Finanzen.
Die am 26. April in vorgerückter Abendstunde definitiv erfolgte An-
nahme der Demission des Kabinets Gruic hatte darin ihren Grund, daß die
Skuptschina ihre weitere Thätigkeit von der Sanktion des Gemeindegesetzes
abhängig machte, der König diese aber entschieden verweigerte.
2. Hälfte Juni. (Serbiens politische Aufgaben.) Bei
einem gelegentlich des griechischen Pfingstsonntags in Belgrad zu
Ehren des serbischen Kabinets und dessen Präsidenten Cristic ver-
anstalteten Festdiners bringt König Milan einen Trinkspruch auf
das Kabinet aus, in welchem derselbe nach einem Rückblick auf die
Entwickelung der verfassungsmäßigen Zustände in den letzten zwanzig
Jahren ausführt,
daß der Entlassung eines auf die Moajorität der Volksvertretung ge-
gründeten Ministeriums ein krankhafter politischer Zustand Serbiens zu
Grunde gelegen habe. Dieser Zustand sei das Resultat der sämtlichen im
Laufe von 70 Jahren begangenen Irrtümer. Diese Irrtümer seien in drei
gewaltsamen Umwälzungen, sowie in der Ermordung des edelsten aller ser-
bischen Herrscher zum beredten Ausdruck gekommen und waren der Grund
des Verfalls des früheren serbischen Zarenreiches. Infolge seiner ethno-
graphischen und geographischen Lage war Serbien einst ein Schutzwall gegen
Byzantismus und Papsttum. Heute sei Serbien die Grenzlinie für occiden-
talische und orientalische Kultur. Um nicht, wie im Mittelalter, fortgewischt
zu werden, müsse Serbien der zuverlässigste Träger der europäischen abend-
ländischen Kultur werden. Dies sei aber nur möglich, wenn man den Partei-
leidenschaften Einhalt gebiete und sich auf Recht und Ordnung stütze. Des-
halb habe er (der König) den vormaligen Ratgeber des Fürsten Michael,
Christic, zum Minister gewählt. der als die Verkörperung der Legitimität
gelte und der, umgeben von Männern der ernsten Arbeit und der That,
in Selbstaufopferung die ihm übertragene patriotische Mission werde er-
füllen können.
12. Juli. (Die Königin von Serbien,) welche seit längerer
Zeit in Wiesbaden domiziliert, wird von der auf Interpellation
ihres Gemahls beorderten Polizeibehörde von Wiesbaden aufge-
fordert, den Kronprinzen herauszugeben, widrigenfalls man Gewalt
gebrauchen müsse. Am folgenden Tage findet dann die Auslieferung