410 Brasilien. — Isien. (Mai.)
XXI.
Brasilien.
Mai. (Abschaffung der Sklaverei.) Am 10. nimmt die
Deputiertenkammer die Regierungsvorlage betreffend die unmittel—
bare und bedingungslose Abschaffung der Sklaverei an.
Am 14. erteilt der Senat der sofortigen und bedingungs-
losen Aufhebung der Sklaverei ebenfalls die Zustimmung.
Die befreiten Sklaven werden gehalten sein, für eine gewisse Zeit
unter kontraktlich festzustellenden Bedingungen weiter zu arbeiten, und später
wird es dann beiden Teilen freistehen, nach eigenem Ermessen zu handeln.
Vor zehn Jahren gab es in Brasilien noch drei Millionen Sklaven. Nach
der letzten Zählung waren noch 723,419 Sklaven, 384,615 männliche und
338,804 weibliche, vorhanden, die meisten in den Kaffee bauenden Provinzen
Rio, Minas und S. Paulo.
Juni. (Kultusfreiheit.) Der angesehenste Vertreter der
deutschen Partei in Rio Grande do Sul, Senator Silveira Martins,
bringt im Senat einen Entwurf ein, welcher lautet:
„Im Keiserreiche steht allen Religionen die öffentliche Ausübung
ihres Kultus frei, ohne eine andere Beschränkung, als die gesetzliche Unter-
drückung, welcher diejenigen unterworfen bleiben, die beim Gebrauche dieser
Freiheit ein Verbrechen begehen.
Der Entwurf wird vom Senat und dem Abgeordnetenhause
genehmigt. — Die „Post“ bemerkt zu demselben:
Bisher galt nach Artikel 5 der Verfassung noch immer die katholische
Religion als Staatsreligion, und obgleich den Nichtkatholiken bereits seit
1881 sämtliche staatsbürgerlichen Rechte eingeräumt waren, so war den-
selben nach dem Wortlaut des Gesetzes doch nicht erlaubt, ihre Gotteshäuser
durch äußere Abzeichen kenntlich zu machen. Seit Jahren hatte zwar die
Regierung diesen von der Verfassung noch festgehaltenen Standpunkt und
die darauf gegründeten Strafbestimmungen in der Praxis nicht mehr be-
achtet, doch war immer noch in einem Falle der deutschen protestantischen
Gemeinde der Kolonie Santa Maria da Boca do Monte verwehrt worden,
ihre Kirche mit einem Turme zu schmücken. Hierdurch war die Agitation
gegen den Verfassungs-Paragraphen in Fluß gekommen, die munmehr zum
erstrebten Erfolge geführt hat.
XXII.
Asien.
Mai. (Persien.) Der Schah erläßt ein Manifest an sein
Volk. Dasselbe ist von einem Ferman begleitet, in welchem allen
Provinzbehörden bei schwerer Strafe die strengste Befolgung des
Erlasses auferlegt wird. Das Manifest lautet wie folgt: