Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

80 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April Anf.—Mitte.) 
gramm des deutschen Reichskanzlers und mit den friedlichen Gesichtspunkten 
und freundschaftlichen Versicherungen des Kaisers Friedrich: Wir sind sicher, 
daß die deutsche Politik wohl diese Folgen abzuwägen wissen wird, daß sie 
es verstehen wird, den Gefahren zuvorzukommen, die sich für die guten Be- 
ziehungen beider Länder und für die Aufrechterhaltung des Friedens mög- 
licherweise ergeben könnten. 
Die „Post“ bringt die Meldung, daß das Projekt einer ehelichen Ver- 
bindung zwischen der Prinzessin Viktoria und dem Prinzen Alexander von 
Battenberg mit großem Eifer von dem englischen Botschafter in St. Peters- 
burg Sir Robert Morier unterstützt wird. Es ist kein Geheimnis, bemerkt 
das Blatt, daß derselbe dabei nicht sowohl den ihm aus London zugehenden 
Weisungen folgt, als vielmehr Instruktionen, welche von Darmstadt herrühren. 
Nach einem Pet. Telegr. der „Köln. Ztg.“ hat der englische 
Botschafter Sir R. D. Morier mehrfach mit Personen, die dem 
Hofe nahestehen, über die Möglichkeit einer Versöhnung des Prinzen 
von Battenberg mit dem Zaren in privater Weise gesprochen; die 
Antworten lauteten ausweichend oder gleichgültig, und Giers hat 
eine bezügliche Anspielung in völlig ablehnendem Sinne beantwortet. 
Der St. Petersburger Korrespondent der „Daily News“ erfährt 
sogar aus sicherer Quelle, der Botschafter habe letzter Tage auch 
die Zarin bezüglich der Heiratspläne des Prinzen Alexander und 
der Prinzessin Viktoria sondiert. Die Kaiserin erwiderte, daß es 
sie sehr freuen würde, wenn die Prinzessin ihrer eigenen Neigung 
gemäß sich verheiratete. Die Sache hätte ohne Zweifel indessen 
eine politische Seite, worüber die Kaiserin ablehnte, sich zu äußern. 
Der „Pol. Korr.“ wird im Anschluß an die Meldung von 
dem demnächstigen Besuch der Königin von England in Berlin ge- 
schrieben: 
Von gut unterrichteten Personen wird im Gegensatz zu der bezüg- 
lichen, allgemein verbreiteten Ansicht versichert, daß die Königin von Eng- 
land in der Frage über die Opportunität einer Vermählung ihrer Enkelin 
mit dem ehemaligen Fürsten von Bulgarien vollständig auf seiten des Reichs- 
kanzlers steht und von den Bedenken durchdrungen ist, welche vom politischen 
Standpunkte aus gegen jene Vermählung erhoben werden. 
Die „Post“ meldet zum 13. April, die Krisis kann als vor- 
läufig beseitigt angesehen werden. Die „Köln. Ztg." bemerkt des 
näheren: 
„Die Form, in welcher die Kanzlerkrise beigelegt wurde, wird in den 
Blättern verschieden dargestellt. Es kommt nicht viel darauf an. Wir 
wissen, daß Kaiserin und Kanzler an ihrem grundsätzlichen Standpunkt fest- 
halten, daß aber die Kaiserin die Entscheidung in das einfache Wort ihres 
hohen Gemahls legte und erklärte, es auf weiteres bei dieser Entscheidung 
bewenden lassen zu wollen. Der Kaiser hat dann entschieden, daß von der 
Battenbergischen Angelegenheit bis auf weiteres keine Rede mehr zu sein 
habe. Daraufhin hat der Reichskanzler sich bereit erklärt, weiter zu dienen, 
so lange seine Kräfte reichen und die Angelegenheit Battenberg ruht. Die 
 
	        
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