Das dentsche Reich nud seine einzeluen Glieder. (Juli 2. —11.) 145
militärischen Neuformationen, ca. 10 Mill. zur Ausbildung der
Beurlaubten mit dem neuen Gewehre, ca. 11 ½ Mill. für Eisen-
bahn= und Telegraphenanlagen.
Bei Beratung des Antrages der verbündeten Regierungen,
betreffend die Errichtung eines Nationaldenkmals für Kaiser
Wilhelm I. stellt Abg. Freiherr v. Unruhe-Bomst namens der
Kommission den Antrag:
Die Entscheidung über den Platz, über die Gestaltung des Stand-
bildes und über die Art, in welcher ein engerer Wettbewerb über einen
Entwurf für das Denkmal vom Reichskanzler auszuschreiben ist, wird der
Entschließung Sr. Majestät des Kaisers anheimgegeben.
Ohne Debatte gelangt dieser Antrag zur Annahme.
Der Reichstag wird darauf durch eine Kaiserliche Verord-
nung vom 29. Juni, welche Staatssekretär v. Bötticher verliest,
für die Zeit vom 8. Juli bis 18. November vertagt.
5. Juli. Der Kaiser verläßt Christiania und tritt eine
längere Seereise längs der norwegischen Küste an.
8. Juli. Dr. Peters trifft mit seiner Expedition an der
Küste von Sansibar ein.
9. Juli. Eine kaiserliche Verordnung dehnt die im
Jahre 1883 für den Handel mit Italien und Spanien gewährten
Zollermäßigungen auch auf den Handel mit Marokko aus.
11. Juli. Der Herausgeber des „Frankfurter Journals“
Rittershaus berichtet über eine Unterredung mit dem Fürsten
Bismarck.
Der Fürst äußert: „Gerade die Zeitungen, die doch bis zu einem ge-
wissen Grade abhängig gewesen sind, fragen nicht nach mir. Ich bin eine
gefallene Größe — man will damit nicht gerne zu thun haben. Die Presse
hat hier zu Lande keinen Mut, sie ist feige."“
Der Fürst kommt sodann auf die nationalliberale Partei zu sprechen,
mit der er sich meist gut vertragen habe. Den Ausdruck, er wolle sie an
die Wand drücken, habe er nie gebraucht. Miquel und Bennigsen schätze er
beide als Politiker; um das nationalliberale Mandat bei der Kaiserslauterer
Nachwahl würde er sich nicht ungern beworben haben, wenn er nicht ge-
fürchtet hätte, zur Regierung, falls sie im Sozialismus fortführe, in Op-
position zu kommen.
Ueber das deutsch-englische Abkommen äußert Fürst Bismarck, er
würde es nicht so geschlossen haben. Der Kaiser hätte den Besitz Helgolands
gewünscht; man hätte dies aber auch wohlfeiler bekommen können. Im
Falle eines Krieges könne Helgoland, wenn es nicht befestigt sei, sogar ge-
fährlich werden.
In betreff der sozialen Frage erklärt der Fürst, er hätte, wenn er
im Amt geblieben wäre, eine Verschärfung des Sozialistengesetzes beantragt.
— „Die Erlasse waren seit langem eine Lieblingsidee des Kaisers; Hintz-
peter, Douglas und andere — kurz solche, die nicht im Dienste waren, haben
mit Sr. Majestät darüber Beratungen gehalten. — Der Keaiser versprach
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXI. 10