Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Bie Gesierreichisch-Augerische Monarhie. (Jan. 19.—27.) 187 
19. Januar. Kossuth richtet in Anlaß des Verlustes 
seiner Staatsangehörigkeit ein Schreiben an den Abg. Helfy, 
in dem es heißt: 
Ohne Ueberhebung könne er von sich sagen, daß seine bescheidene Wirk- 
samkeit Spuren in der Geschichte Ungarns zurückgelassen habe, und er dürfe 
es daher eine brutale Absurdität nennen, daß die Gesetzgebung Ungarns ihn 
aus der Reihe der ungarischen Staatsbürger ausstoße. Ferner: „Daß meine 
Ueberzeugung es mir verbietet, bei dem gegenwärtigen Zustande Ungarns 
die faktische Ausübung der mit mir geborenen ungarischen Bürgerrechte in 
Anspruch zu nehmen, das ist meine Sache. Daß aber ein ungarisches Ge- 
setz dekretiert, ich sei kein ungarischer Bürger, das ist, mit Verlaub, eine 
wahrhaft brutale Absurdität; es ist aber geschehen, und da es geschehen ist, 
sehe ich mich vor ein Dilemma gestellt: entweder es ist nicht wahr, daß 
dieses Gesetz den Empfindungen und Anschauungen der Nation widerstreitet, 
oder wenn es wahr ist, dann ist das Repräsentativsystem in Ungarn ein 
Märchen, eine Lüge. Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. „Das 
Gesetz konnte allerdings verfügen, daß ich kein ungarischer Bürger mehr sei, 
aber es konnte nicht dekretieren, daß ich aufhören müsse, ein Ungar zu sein.“ 
21. Januar. Fürst Schwarzenberg legt das Präsidium 
des Prager Museums nieder wegen Anbringung einer Gedenktafel 
für Johann Huß. 
23. Januar. Der böhmische Landtag tritt zusammen. Der 
Kaiser genehmigt das Statut der zu gründenden böhmischen 
Akademie. 
25. Januar. Der Jungtschechenführer Eduard Gregr erklärt 
im „Neuen Wiener Tagblatt“, die jungtschechischen Abgeordneten 
würden nur ein gemeinsames Urteil über den Ausgleich abgeben, 
und zwar nachdem sie mit ihren Wählern Fühlung genommen 
hätten. Der Ausgleich richte sich gegen die Jungtschechen und ver- 
schaffe dem Großgrundbesitz das Uebergewicht. 
26. Januar. Der deutsche Klub, der altschechische Klub, 
sowie die Versammlung der Großgrundbesitzer zu Prag nehmen 
die Ausgleichsbedingungen einstimmig an; der jungtschechische 
Klub setzt eine Kommission zur Beratung der Vorschläge ein. 
27. Januar. Die Beschlüsse der Ausgleichskonferenz 
werden veröffentlicht. Die wesentlichsten Bestimmungen lauten: 
1) Der Landesschulrat soll aus dem Landeschef oder einem von ihm 
bestimmten Stellvertreter als Vorsitzenden, und aus sechs vom Landesaus- 
schusse gewählten Abgeordneten, deren drei deutscher, drei böhmischer Natio- 
nalität angehören müssen, bestehen. Der Landesschulrat soll aus zwei Sek- 
tionen bestehen, welche innerhalb ihres Wirkungskreises selbständig Beschlüsse 
fassen, deren einer die Angelegenheiten der deutschen Schulbezirke, und deren 
anderer jene der böhmischen Schulbezirke zuzuweisen sind. Der Plenar- 
beratung bleiben allen Schulen Böhmens gemeinsame Angelegenheiten, sowie 
die Errichtung von Minoritätsschulen vorbehalten. Bezüglich der Minoritäts= 
schulen wurde bestimmt, daß falls in Schulgemeinden mit deutscher und
	        
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