Rußland. (August ·Oktober.) 287
Zusammenkunft des Zaren mit dem Deutschen Kaiser mit
folgenden Worten:
„Da die neue Zusammenkunft zwischen dem Kaiser Wilhelm und dem
Kaiser Alexander schon lange im voraus angekündigt worden ist, konnte die
Presse ihr bereits zahlreiche Besprechungen widmen; die einen schrieben ihr
die höchste politische Tragweite zu, die anderen dagegen sprachen ihr fast
jede Bedeutung bezüglich der internationalen Beziehungen ab. Es genügt
indessen, sich an die Thatsachen zu halten, um der wirklichen Sachlage ge-
recht zu werden Es ist unbestreitbar, daß die Beziehungen guter Nachbar-
schaft und Freundschaft zwischen beiden mächtigen Kaiserreichen durch die
Begegnung ihrer Souveräne, von denen man weiß, daß sie ihre ganze Thätig-
keit und Sorge der Wohlfahrt ihrer Völker und der Förderung ihres Ge-
deihens widmen, für welche die Aufrechterhaltung und Festigung des Friedens
die erste Bedingung ist, noch inniger gestaltet werden. Der dem erhabenen
Gaste in Rußland bereitete herzliche Empfang wird in dem Geiste dieses
Monarchen und der hervorragenden Persönlichkeiten seiner Umgebung nur
die Ueberzeugung befestigen können, daß Rußland in Frieden und guter
Freundschaft mit der deutschen Nation zu leben wünscht. Und dies ist ge-
wiß eins der kostbarsten Friedenspfänder."“
August. Der Petersburger offiziöse Mitarbeiter der „Poli-
tischen Korrespondenz“ versichert in verschiedenen Artikeln, an der
allgemeinen politischen Lage habe sich durch die Zusammenkunft
nichts geändert.
Anfang September. Der Kurator des Dorpater Lehrbezirks,
Geheimrat Kapustin, wird zum Kurator des St. Petersburger
Lehrbezirks und der bisherige Rektor der Warschauer Universität,
Lawrowsky, zum Kurator des Dorpater Lehrbezirks ernannt.
9. September. Der Kaiser und die Kaiserin treffen in
Rowno ein, wo große Manöver von je vier Armeekorps gegen
einander, unter dem Oberbefehl der Generäle Gurko und Drago-
mirow abgehalten werden.
21. September. Der Finanzminister trifft in Buchara
ein und wird von dem Emir empfangen.
Oktober. Eine Reise des Thronfolgers nach Konstanti-
nopel wird offiziell angekündigt, schließlich aber — angeblich wegen
der in Vorderasien herrschenden Cholera — nicht ausgeführt.
Es finden zahlreiche Ausweisungen von Juden statt.
Von den deutschen Kolonisten in Südrußland wandern viele
aus, um drückenden Maßregeln zu entgehen.
Auch aus Polen finden massenhafte Auswanderungen statt.
Aus den südlichen Gouvernements des Reiches laufen Nach-
richten ein über eine wachsende Gärung unter der Landbevöl-
kerung, die hervorgerufen wird durch die Willkür der neu er-